Im Netz des Teufels
standen oder Wasserleitungen verliefen.
Michael schaute auf die Uhr. Auf der Anzeige stand 12:50.
Er nahm die Spiegelscherbe und begann, die Platte aufzuschneiden. Da er die spitze Scherbe nicht richtig festhalten konnte, ging es nur langsam voran. Nach etwa fünf Minuten hatte Michael die Gipskartonplatte endlich durchgeschnitten und trat die Wand mit drei kräftigen Tritten ein. Das entstandene Loch war so groß, dass er hindurchkriechen konnte.
Auf der Anzeige seiner Uhr stand 3:50.
Er trat ans Fenster und spähte wieder durch einen Spalt der Jalousien. Der blaue Ford hatte sich nicht bewegt, und der rote Saturn war nicht zurückgekehrt. Michael stellte sich vor das Loch in der Wand und schaute hindurch. Das Zimmer sah genauso aus wie seins, nur dass auf dem Bett ein geöffneter Handkoffer mit Rollen lag.
Er richtete sich auf, drehte sich um, nahm vorsichtig das Telefon in die Hand und passte höllisch auf, dass der Hörer nicht von der Gabel rutschte. Die Schnur reichte gerade bis zu dem Loch.
Michael trat noch einmal gegen die Gipskartonplatte und quetschte sich durch die Lücke. Er lief zum Schrank und öffnete die Tür. Im Schrank hingen ein schwarzer Regenmantel, eine braune Golfhose und ein weißes Poloshirt. In dem Fach über der Kleiderstange lagen eine Tweedkappe und eine Sonnenbrille.
Ehe Michael die Sachen von den Bügeln nehmen konnte, klingelte das Telefon. Sein Telefon. Er rannte durch das Zimmer und griff durch das Loch in der Wand. Mit knapper Not schaffte er es, sich zu melden, ehe es ein drittes Mal klingelte.
»Ja.«
Stille. Er hatte sich zu spät gemeldet.
»Hallo!«, rief Michael. »Ich bin hier. Ich bin hier !«
»Das war aber knapp, Herr Staatsanwalt«, sagte Kolya. »Wo waren Sie?«
»Ich war auf Toilette. Es tut mir leid.«
Es folgte eine lange Pause. »Es wird Ihnen noch richtig leidtun, wissen Sie das?«
»Ich weiß. Ich hab nicht ...«
»Beim nächsten Mal lasse ich es nur ein Mal klingeln, Herr Staatsanwalt. Ein einziges Mal. Verarschen Sie mich nicht.«
Freizeichen.
Michael griff durch das Loch in der Wand und legte den Hörer auf. Anschließend stellte er wieder den Timer an seiner Uhr ein. Diesmal auf achtundzwanzig Minuten. In Windeseile nahm er die Golfhose und den Regenmantel aus dem Schrank und zog sich um. Die Sachen waren zwei Nummern zu groß für ihn, aber zur Not würde es gehen. Nachdem er die Tweedkappe und die Sonnenbrille aufgesetzt hatte, betrachtete er sich im Spiegel. Er ähnelte in keiner Weise dem Mann, den Kolya zu diesem Motel gebracht hatte und den er in Zimmer 118 gefangen hielt.
Als Michael das Zimmer verließ, achtete er darauf, die Tür nicht zu verriegeln. Er hatte keine Ahnung, was er nun tun würde. Jedenfalls musste er in sechsundzwanzig Minuten und sechs Sekunden in dieses Zimmer zurückgekehrt sein.
35. Kapitel
Kolya stieg die Treppe hinunter. Er klappte das Handy zu und grinste selbstgefällig. In der anderen Hand hielt er ein Sandwich. Abby roch die Salami schon von Weitem. Sie bekam einen Brechreiz.
Kolya stöberte im Keller herum, strich über die Sofakissen und schaute in die Schubladen des alten Geschirrschranks. Dann schaltete er den kleinen Fernseher ein, zappte durch die Kanäle und schaltete ihn wieder aus. Er kam Abby vor wie ein potentieller Hauskäufer, der sich alles genau ansah und überprüfte, ob alles funktionierte. Allerdings kauften Typen wie Kolya keine Häuser.
Er lehnte sich gegen die Waschmaschine, musterte Abby und biss noch einmal ins Sandwich. Abby hatte das Gefühl, er würde sie mit seinen Blicken nackt ausziehen.
»Ihr Mann hat was von Geld gesagt«, meinte er schließlich.
Die Wörter klangen sonderbar. Geld, nach alldem? »Wie bitte?«
Kolya nahm zwei Kristallkerzenständer in die Hand, die Abby vorgehabt hatte zu polieren, und schaute auf die Unterseiten. Er sah aus wie ein Gorilla in einem Kristallwarengeschäft. »Er hat gesagt, er könnte einiges an Geld auftreiben. Wissen Sie was darüber?«
»Nein.«
Kolya schaute sich noch einmal im Keller um. »Ich meine, das ist wirklich ein schönes Haus. Könnte ich mir nicht leisten. Sie sehen aber nicht reich aus. Haben Sie einen Safe hier im Haus?«
Abby dachte an den Safe im Arbeitszimmer. Dort bewahrten sie nie mehr als rund zweitausend Dollar auf. Bargeld für Notfälle. Abby konnte sich nicht vorstellen, dass das Geld ausreichte, um diesen Albtraum zu beenden. Sie musste es dennoch versuchen.
»Ja.«
»Sagen Sie bloß! Und wie viel Geld
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