Im Netz des Verbrechens
ideal, aber es geht. Noch einmal sehe ich mich um. Kein Blick würde von draußen hineingelangen. Ich kann mich einen Moment entspannen, obwohl ich Juna nicht mehr in Sichtweite habe.
Es ist verdammt leise im Bad.
Ich hätte sie nicht hierher bringen dürfen. Aber ich kenne keinen anderen Ort, an dem wir im Moment sicher wären. Außer bei Falko vielleicht. Aber der würde mich zwingen, Juna ihm zu überlassen.
Die Eingangstür ist nicht abgeschlossen. Es ist Sonntag, wiederhole ich mir, niemand ist im Studio, vor allem zu dieser Uhrzeit.
Ich will nicht, dass jemand Juna hier entdeckt. Hoffentlich wird sie sich wohlfühlen. Leah hat den gesichtslosen Luxus mit Leben gefüllt. Kleine Sachen, die so sehr nicht-Kay sind und so voller Freude. Wie der Mini-Topf mit Alpenveilchen. Ich kenne niemanden außer Leah, der das Rot der Blüten und das Gelb des Übertopfs dazu bringen kann, so sehr nicht miteinander zu harmonieren. Vielleicht ist die Modezeitschrift schuld daran. Aufgeschlagen bei einem Kreuzworträtsel. Leere Kästchen bei Ein Kleidungsstück, das sowohl weibliche als auch männliche Merkmale aufweist . Dafür aber Kielwasserinvestition für Direktinvestition eines Unternehmens, das seinem Großkunden ins Ausland folgt . Ich nehme zwei Haarklemmen mit Plastiklilien vom Low-Board, auf dem der Fernseher steht. Es ist so nah. Das Leben.
Aus dem Bad höre ich das Prasseln des Wassers. Es klingt regelmäßig, sanft. Ihre Stimme. Egal ob sie russisch spricht oder dieses zauberhafte Deutsch mit ihrer ganz eigenen Sprachmelodie, es klingt immer eine sonderbare Weite darin. Etwas sehr Erdiges. Als läge man auf einem Feld und spüre die Sonne auf den geschlossenen Lidern. Als wäre man … zu Hause.
Kay kommt zurück und schwenkt ein Paar Riemchen-Sandalen in der Hand. Ich weiß, dass sie von Louboutin sind, wegen der roten Sohle, die beim Gehen wie ein Augenzwinkern aufblitzen soll. In der anderen hält er einen Kleiderbügel hoch, an dem etwas … sehr Pinkes und sehr Bauschiges baumelt. » Voilà. Mit besten Empfehlungen von Jean Paul Gaultier. Was denkst du?«
Ich denke: Welche Barbiepuppe hat er dafür überfallen müssen?
»Hm.« Ich versuche, mir Juna darin vorzustellen. Es gelingt mir nicht.
»Nein, nicht H&M, sondern Haute Couture.« Er grinst. So unglaublich glücklich in all der liebevollen Unordnung in seinem gestylten Leben.
»Okay.«
»Echter Rockabilly. Sei froh, dass ich nicht dieses neue Gaultier-Korsage-Kleid hervorkrame, das aussieht, als käme es aus einem Sci-Fi-Comic für Pubertierende. Für meinen ehemaligen Assistenten beweist du erstaunlich wenig Sinn für Mode.« Es macht ihm sichtlich Spaß, mich zu necken. Ich höre Leahs Stimme aus dem Bad, kann jedoch nicht verstehen, was sie sagt .
»Nick, nun sag doch etwas.«
»Es geht mir gut. Alles ist in Ordnung.«
Er senkt die Hand mit dem Bügel. Das war gar nicht seine Frage gewesen. Ich drücke mir die Handballen an die Augenlider. Jetzt bin ich wieder da. Alles in Ordnung. »Ein schönes Kleid. Sehr pink.«
Gaultier macht schräge Sachen. Dieses Kleid ist schulterfrei, nur an zwei breiten Trägern gehalten. Das Mieder passt sich ihren Kurven an. Ich sehe sie fast vor mir: Das schwarze Haar fließt den Rücken entlang fast bis zur Taille, bildet einen atemberaubenden Kontrast zu ihrer weißen Haut. Ein Wimpernaufschlag, die blauen Augen – ihr Blick ist unglaublich intensiv, so klar.
Leah kommt aus dem Bad, nimmt das Kleid und die Sandalen mit rein. Junas Silhouette schwebt in einer rosafarbenen Wolke aus Organza durch meine Gedanken, und ich weiß, dass ich ihr gerade zulächele.
In wenigen Augenblicken ist Leah zurück, um den Tisch zu decken – mit allem, was der Kühlschrank hergibt. Honig, Lachs, Brötchen und Toast, Camembert und eine aufgewärmte Schüssel Ravioli der führenden Dosenfuttermarke. Die beiden können nicht kochen. Ich frage mich, wann sie umziehen, in einen Bezirk mit der größten Restaurant- und Lieferservicedichte.
»Und, hast du nicht daran gedacht, wieder im Studio anzufangen? Kürzlich hat Kay mal wieder einen Assistenten gefeuert.« Sie schaut zu ihm auf. »Weswegen diesmal, weißt du es selbst noch?« Sie will ungezwungen reden, aber ich merke, wie nervös meine Anwesenheit sie macht. Jedes Mal, wenn sie mich ansieht, fühle ich, wie sich meine Gesichtshaut spannt. Irgendwo in mir sind noch die Schmerzen da. Manchmal sehe ich nicht die toten Augen des Mädchens, sondern Kay, der verbrennt.
Ich taste
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