Im Pyjama um halb vier (German Edition)
bis in die Puppen schlafe. Weil ich total nervös war. Dies sollte also der Tag werden, an dem ich dich endlich kennenlerne. Ich war so aufgeregt, dass ich einfach nicht im Bett liegen bleiben konnte! Also bin ich aufgestanden, obwohl alle anderen im Haus noch am Schlafen waren. Ich habe schnell etwas gefrühstückt, bin dann wieder in mein Zimmer gegangen und habe meinen PC hochgefahren. Ich wollte viele deiner PNs noch mal lesen, die du mir in den letzten Monaten geschickt hast. Immer wieder habe ich versucht, mir vorzustellen, wie das Mädchen wohl aussehen mag, das all diese Worte geschrieben hat und die so viel von mir weiß. Das Ganze hat nicht gerade dazu geführt, dass ich ruhiger wurde. Vormittags haben wir dann noch ein großes Familienfrühstück veranstaltet, zu dem auch noch ein Onkel und eine Tante und meine beiden Cousins kamen. Die Stimmung war gut, bis ich dann eröffnet habe, dass ich am Nachmittag mit dir verabredet bin und darum nicht mit zum geplanten Spaziergang nach Schloss Nymphenburg kommen kann. Sie wollten natürlich wissen, wer das geheimnisvolle Mädchen ist, das mich an Weihnachten von meiner Familie weglockt. Ich habe dann ein paar Andeutungen gemacht, die allerdings nur dazu geführt haben, dass meine Eltern und meine Tante mich für verrückt erklärt haben (mich und dich und gleich auch noch unsere ganze Generation. Weil man im Internet doch gar nicht befreundet sein kann. Sie kapieren es einfach nicht…). Irgendwann hatten sie es dann aber akzeptiert, als sie merkten, wie wichtig mir die Sache war. Gegen Viertel nach zwei wollte ich mich auf den Weg zum Stachus machen, als es plötzlich an der Tür klingelte. Meine Mutter hat aufgemacht und rief dann nach mir: »Ben! Du hast Besuch!«
»Kann nicht, ich muss los!«
»Und ob du kannst. Es ist Larissa«, antwortete sie. Ihre Stimme klang ziemlich seltsam, und als ich nach unten kam, wusste ich auch, warum. Larissa sah hundeelend aus, sie hatte offenbar seit Tagen nichts anderes getan, als zu heulen, und auch jetzt flossen ihr die Tränen über die Wange. Ich war völlig überrascht und stand erst mal eine Weile fassungslos vor ihr, bevor ich herausbrachte: »Larissa, was ist los? Was machst du hier? Tut mir leid, aber ich hab gerade gar keine Zeit. Ich muss leider weg.«
Sie starrte mich an, als würde ich ihr bei lebendigem Leib das Herz aus der Brust reißen. Meine Mutter trat dann neben sie, nahm Larissa in den Arm und sagte: »Komm rein, Schätzchen. Du bist ja völlig fertig mit den Nerven. Natürlich bleibt Ben hier und kümmert sich um dich. Magst du einen heißen Tee und ein Stück Kuchen?«
»Ja, das wäre nett«, sagte Larissa.
»Aber ich…«
»Du kümmerst dich um deine Freundin«, zischte meine Mutter mir zu.
Ich habe mich dann mit Larissa auf mein Zimmer verdrückt. Sobald die Tür zu war, erklärte ich ihr, dass ich höchstens zehn Minuten Zeit für sie hätte. Sie zuckte mit den Schultern und sagte, das wäre okay. Sie müsste mir nur etwas sagen und danach könnte ich entscheiden, ob ich gehen oder bleiben wolle. Dann setzte sie sich auf mein Bett, wischte sich die Tränen aus den Augen und fing an zu reden. Sie erklärte mir, dass sie das schlimmste Weihnachtsfest aller Zeiten hinter sich hätte. Noch nie in ihrem Leben hätte sie sich so einsam und elend gefühlt. Es wäre über Weihnachten viel Zeit gewesen, über sich selbst nachzudenken, und sie hätte nun erkannt, dass sie in unserer Beziehung viele Fehler gemacht hätte – Fehler, die sie nun bereuen würde. Sie hätte wirklich zu viel an mir herumkritisiert, anstatt mich einfach so zu nehmen, wie ich bin. Dann fing sie wieder an zu weinen und meinte, dass sie sich seit dem Tag unserer Trennung schrecklich fühle. Schließlich wäre das für sie nun schon das zweite Mal in diesem Jahr, dass sich ein Junge von ihr trennt. Sie hätte nur noch Selbstzweifel und wüsste überhaupt nicht mehr, was sie machen soll… Irgendwann hörte sie dann endlich auf zu weinen und sah mich nur noch an. Ich fühlte mich, als hätte jemand die Luft aus mir rausgelassen. Ich konnte sie in diesem Moment nicht einfach sitzen lassen und gehen! Es ging nicht! Stattdessen habe ich ihr dann auch all das gesagt, was mir in der Zeit mit ihr immer durch den Kopf gegangen ist: was ihre ständige Nörgelei bei mir ausgelöst hatte, unsere ewigen Streitereien, ihr permanentes Herumdoktern an mir. Wir fingen an zu diskutieren, über sie und mich, unsere Beziehung, über die Fehler, die
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