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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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unterschiedliche Besoldung für gerechtfertigt hielt – schließlich brauchten die Angehörigen des Weißen objektiv mehr Geld, da sie ein besseres Leben führten.«
    »Nicht jeder wird Sie in sein Herz schließen«, sagte Slim.
    »Ich weiß. Deswegen haben mir meine guten Freunde auch davon abgeraten, diesen Teil meiner Arbeit auszustellen. Aber ich hab ihnen – natürlich auf freundliche Weise – empfohlen, sich zum Teufel zu scheren. Ein Dokument ist ein Dokument, Mr Slim. Das wissen Sie als Journalist. Und das weiß ich. Wenn wir nicht die Wahrheit sagen, so wie wir sie sehen, bleibt uns gar nichts.« Er lächelte. »Jetzt möchte ich Ihnen eine Landschaft zeigen.«
    Es war die einzige Landschaftsaufnahme in der Bürgerkriegsabteilung – eigentlich drei zu einem weiten Panorama zusammengefügte Landschaftsaufnahmen. Und darunter der Titel: Marching Through Georgia.
    »Im Herbst 1864 kehrte ich nach New York zurück. Grant steckte zu dem Zeitpunkt in Virginia fest, und der Krieg war wieder so unpopulär, dass die meisten glaubten, Lincoln würde die Wahl in dem Jahr verlieren und die Demokraten würden mit dem Süden Frieden schließen, was die Konföderierten ohne Weiteres als einen Sieg hätten hinstellen können. Doch dann nahm Sherman Atlanta ein, und alles war mit einem Mal wieder ganz anders. Die Union bekam erneut Oberwasser, Lincoln wurde wiedergewählt, und Sherman unternahm seinen großen › Marsch zum Meer‹ von Atlanta nach Savannah. Ein guter Photograph, den ich kannte, George Bernard, zog nach Süden, um sich General Sherman anzuschließen, und ich begleitete ihn. Und so ist dieses Bild entstanden.«
    »Marching Through Georgia« ,bemerkte Horace Slim. »Schönes Lied.«
    »Denken Sie nur an den Text des Liedes, Sir.« Er stimmte leise den Refrain an: »›Hurrah! Hurrah! We bring the jubilee! Hurrah! Hurrah! The flag that makes you free!‹« Er sah den Journalisten an. »Klingt richtig vergnügt, nicht? Genau das macht es so widerwärtig für diejenigen von uns, die dabei waren.«
    »Nun ja, die Sklaven waren doch wohl mit Sicherheit froh, Sie zu sehen, oder?«
    »Ja es stimmt, die Sklaven hießen Sherman als Befreier willkommen. Und obwohl er sich anfänglich nicht sonderlich für sie interessiert hatte, nahm er im Laufe des Krieges zunehmend Anteil an ihrem Los und tat viel für sie. Aber bedenken Sie, wir haben aus diesem schönen Land alles herausgeholt, was wir an Proviant brauchten. Wir haben es ausgeplündert. Und was danach noch übrig war, haben wir vernichtet. Es war eine bewusste, grausame Zerstörung, deren Ausmaß sich nur vorstellen kann, wer sie miterlebt hat. Das war Shermans erklärte Absicht. Er hielt es für notwendig. Den ›harten Krieg‹ nannte er das. Wir zerstörten jede Farm, brannten jeden Acker und Gemüsegarten nieder, um den Süden auszuhungern.«
    Das Panorama, das die Photographie zeigte, war sehr weit. Man konnte bis hin zu einem fernen Horizont sehen. Im Vordergrund erkannte man die verkohlten Überreste eines Bauernhofs. Und ansonsten dehnte sich, so weit das Auge reichte, eine einzige leere, geschwärzte Einöde.
    Jetzt blieb nur noch ein letzter Ausstellungsraum. Es war der kleinste, und er enthielt vermischte, nicht nach Themen geordnete Bilder. Das erste, das dem Journalisten ins Auge fiel, war Theodors Aufnahme von den Schwarzen, die die Eisenbahngleise neben dem blanken Fluss entlanggingen.
    »Das gefällt mir«, sagte er.
    »Aha.« Theodor war aufrichtig erfreut. »Das ist eine frühe Arbeit, auf die ich allerdings nach wie vor ziemlich stolz bin.«
    Da waren außerdem ein paar kleine Porträtstudien von Angehörigen und Freunden, darunter eine schöne von seinem Cousin Hans, dem Klavierbauer, am Piano, die schönen Gesichtszüge vom sanften Licht modelliert, das durch ein unsichtbares Fenster in den Raum drang.
    Dann gab es noch ein paar New Yorker Szenen, darunter eine Ansicht des Verteilerreservoirs an der Fifth Avenue. Hetty Master hatte sie n Auftrag gegeben.
    Sie waren am Ende der Ausstellung angelangt. Übrig blieb nur noch ein kleines, ziemlich dunkles Bild, das in einer Ecke hing. Horace Slim trat näher heran und warf einen raschen Blick darauf. Die Photographie trug die Unterschrift Mondscheinsonate.
    Man brauchte eine Weile, um zu erkennen, was da abgebildet war. Das Bild hatte eine lange Belichtungszeit erfordert, weil der Vollmond die einzige Lichtquelle darstellte. Man konnte einen Schützengraben ausmachen und einen Wachposten, der

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