Im Rausch der Freiheit
hatten das Hündchen dabei.
Bis vor einem Jahr waren in dem Haus keine Tiere erlaubt gewesen. Gorham konnte sich nicht erinnern, warum, aber es war schon immer so gewesen. Dann hatte Mrs Vorpal den Wunsch nach einem Hund verspürt, also hatte Vorpal den Vorstand überredet, die Vorschriften zu ändern.
Die zwei Mädchen hatten gerade angefangen, sich mit Mr und Mrs Humblay zu unterhalten, als die Vorpals eintrafen. Kent ließ sie herein und nahm ihre Getränkewünsche professionell entgegen, bevor er sie ins Wohnzimmer geleitete. Mrs Vorpal wollte einen Wodka-Martini; Vorpal nahm Scotch on the Rocks.
»Na, guten Abend auch, Emma!«, sagte Vorpal, der vorgab, Kinder zu mögen.
»Hi, Mr und Mrs Vorpal«, sagte Emma.
Gorham machte die Vorpals mit den Humblays bekannt.
»Wir haben uns gerade dieses schöne Hündchen angesehen«, sagte Herbert.
Das Hündchen, das musste man ihm lassen, war niedlich. Ein kleiner, flauschiger weißer Ball, der mit großen Augen unter Emmas Wange hervorlugte.
»Du solltest Mr Vorpal danken«, sagte Maggie. »Nur seinetwegen darfst du ein Hündchen haben.«
»Danke, Mr Vorpal«, sagte Emma.
Vorpals messerscharfes Gesicht produzierte ein Lächeln. »Es war mir ein Vergnügen. Ich finde es einfach schön, wenn die Kinder im Haus einen kleinen Spielgefährten haben können.«
»Das ist so reizend!«, sagte Mary Humblay.
»Da kann ich dir nur Recht geben«, sagte Herbert.
»Also gut, Mädchen«, sagte Maggie, »wenn ihr wollt, könnt ihr jetzt gehen. Aber bitte keinen Krach!«
Die Kellner reichten die Kanapees herum. Es erschienen die nächsten Gäste, die O’Sullivans. Er war Partner in einer großen Anwaltskanzlei, ruhig, besonnen, aber immer ein unterhaltsamer Gesprächspartner; seine Frau Maeve, eine schlanke, auffallend elegante Irin, leitete eine eigene kleine Brokerfirma. Als Letzte erschienen Liz Rabinovitch und ihr Freund Manuel. Liz war Redenschreiberin. Sie hatte für einige namhafte Politiker gearbeitet, bediente aber gegenwärtig größtenteils Kunden aus der Wirtschaft. Doch bei Liz wusste man nie so genau – sie war ein ziemlicher Freigeist. Manuel seinerseits war ein etwas geheimnisvoller Typ. Liz sagte, er sei Kubaner. Er wiederum hatte Gorham einmal anvertraut, die Familie seiner Mutter stamme aus Venezuela, ihr Geld liege aber in der Schweiz. Wenn er in New York war, wohnte Manuel bei Liz, aber Liz erzählte, er habe in Paris eine spektakuläre Wohnung. Gorham traute Manuel nicht. »Liz mag ausschließlich Männer, denen sie nicht traut«, erklärte ihm Maggie.
Das Essen verlief in harmonischer Atmosphäre. Liz, die immer jede Menge Washington-Klatsch zu bieten hatte, war neben O’Sullivan platziert worden. O’Sullivan war diskret, aber gut informiert, und er schien Liz’ Gesellschaft zu genießen. Vorpal versuchte krampfhaft herauszufinden, in welcher Branche Manuel tätig war, und wurde zu Gorhams Vergnügen immer frustrierter. Als das Gespräch irgendwann auf Immobilien kam, erklärte ihnen der alte Herbert Humblay, was die Dotationen der Trinity Church so abwarfen. Mithilfe der Pachterlöse war es dem Gemeindevorstand von Trinity nicht nur möglich gewesen, im Laufe der Jahrhunderte eine Kirche nach der anderen zu stiften, sondern auch Kirchen überall auf der Welt bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Der Wert ihrer Liegenschaften im Financial District war geradezu gigantisch. Während Vorpal aufmerksam Humblays Ausführungen lauschte und sichtlich im Kopf Berechnungen anstellte, begann er, den Geistlichen mit neuem Respekt zu betrachten.
Und dann war da natürlich Maggie. Gorham schaute sie über die Länge der Tafel hinweg an. Seine Frau sah an dem Abend umwerfend hübsch aus – nicht nur war ihr rotes Haar an dem Nachmittag schön geschnitten worden, sondern sie hatte sich auch eine Maniküre machen lassen. Als sie ihm über den Tisch hinweg zulächelte, verriet nur ein kaum wahrnehmbares Funkeln in ihren Augen, welchen Krach sie vergangenen Abend gehabt hatten.
*
Es war vermutlich seine eigene Schuld. Wenn er Maggie mehr auf dem Laufenden gehalten hätte, wäre das Gespräch vielleicht anders verlaufen.
Er hatte ihr nie erzählt, dass er Anfang des Jahres den Headhunter aufgesucht hatte. Vielleicht, weil es ihm wie das Eingeständnis vorgekommen wäre, dass er nicht mit seinem Leben ausgesöhnt war, ja sogar wie das Eingeständnis seines Scheiterns. Außerdem natürlich auch, weil er ziemlich sicher war, dass sie ihm empfohlen hätte, bei seiner
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