Im Rausch der Freiheit
wenn sie weniger arbeiteten.«
»Vergessen Sie nicht – sie hat sich das Leben genommen«, sagte John Vorpal, und alle lachten.
Aber Maeve hatte trotzdem recht. Das war schon etwas, das einen nachdenklich stimmte.
*
Der Abend klang angenehm aus, und man sah den Gästen an, dass sie sich gut unterhalten hatten. Nachdem die letzten von ihnen gegangen waren und Gorham ins Wohnzimmer zurückkehrte, um sich John Vorpal zu stellen, empfand er fast so etwas wie Wohlwollen für ihn. Es war nur noch Vorpal selbst da – seine Frau hatte sich bereits verabschiedet.
»Okay, Gorham«, sagte Vorpal und holte die Papiere heraus, »7B.«
Es tat Gorham leid, dass die Leute von 7B auszogen, aber ein vorteilhaftes Stellenangebot rief sie nach Kalifornien, und so stand 7B zum Verkauf. Es lag ein gutes Angebot vor. Die bisherigen Eigentümer wollten annehmen. Doch zuerst musste der Interessent vor dem Vorstand bestehen. Oder genauer gesagt, vor einem Vorstandskomitee. Es war das erste Mal, dass eine Wohnung verkauft wurde, seit Vorpal als Vorsitzender fungierte. Das Komitee würde sich am kommenden Mittwoch treffen und anschließend den Interessenten ins Kreuzverhör nehmen. Wenn Vorpal also schon jetzt mit ihm reden wollte, so konnte das nur eines bedeuten: Ärger.
Maggie kam ins Zimmer.
»Darf ich mich dazusetzen?«
Gorham runzelte die Stirn. Er war im Vorstand, nicht sie, und er empfand das als eine unzulässige Einmischung. Vorpal aber schaute auf und lächelte.
»Das würde mich freuen!« Vorpal mochte Maggie. Er nahm an, dass sie als Anwaltskollegin mit ihm einer Meinung sein würde, während er Gorham als etwas unzuverlässig einschätzte. Er reichte ihr eine Kopie des Antrags. »Ich glaube, wir könnten damit ein Problem haben. Jim Bandersnatch ist derselben Ansicht.«
»Dr. Caruso?«, sagte Maggie.
»Ich glaube, ich sollte Ihnen besser gleich sagen, dass wir diesen Mann kennen«, sagte Gorham. »Er hat alle unsere drei Kinder entbunden. Wir schätzen ihn.«
Vorpal zog ein langes Gesicht.
»Was nicht bedeutet«, sagte Maggie leise, »dass Gorham sich dadurch in seiner Entscheidung, inwieweit Dr. Caruso für dieses Haus geeignet wäre, beeinflussen lässt.«
Gorham starrte sie an. Das war eine bewusste Unterminierung seiner Autorität. Dennoch beherrschte er sich. Er musste die Ruhe bewahren.
»Wo liegt also das Problem?«, fragte er.
»Er wohnt auf der West End Avenue«, sagte Vorpal.
»Das tut er schon seit Jahren. Eine Menge gute Leute wohnen auf der West End.«
»Central Park West wäre mir lieber gewesen.«
»An der West End gibt es durchaus einige sehr exklusive Häuser.«
»Seines gehört nicht dazu«, entgegnete Vorpal trocken.
»Seine Referenzen sehen einwandfrei aus. Hier ist ein Empfehlungsschreiben von einem der Kuratoren des Mount Sinai – das sind sehr einflussreiche Leute. Dieser Anderson ist eine große Nummer.«
»Ja. Als berufliche Referenz hervorragend. Aber als gesellschaftliche nicht so gut.«
»Warum?«
»Anderson wohnt in einem Stadthaus. Und Carusos andere gesellschaftliche Referenz kommt sogar von außerhalb.« Vorpal schüttelte den Kopf. »Was wir uns wünschen, wäre ein Empfehlungsschreiben von jemandem, der in einem sehr guten Apartmenthaus lebt und am besten im Vorstand der Eigentümergemeinschaft sitzt. Einem Haus wie unserem. Jemandem aus dem gleichen Umfeld.«
»Ich verstehe.«
»Was ich suche, sind Clubs, Gorham, Leute, die eine signifikante gesellschaftliche Rolle in der Stadt spielen, große Spenden an wohltätige Organisationen geben. Und ich sehe sie nicht – ich sehe gar nichts davon. Ich sehe nicht einmal einen Country Club. Diese Bewerbung entbehrt« – er suchte nach dem richtigen Wort – »jeglicher Substanz.«
»Ich könnte ihm ja eine Referenz schreiben«, sagte Gorham hinterhältig.
Vorpals Miene deutete an, dass dies seiner Einschätzung nach vielleicht nicht ganz reichte, doch geschickt zog er sich aus der Affäre.
»Ich finde es bezeichnend, dass er Sie – oder sonst einen seiner vielen Patienten – nicht um eine solche Empfehlung gebeten hat.«
»Sonst noch etwas?«, fragte Master.
»Da wäre noch die Geldfrage.«
»Okay.«
»Wir haben natürlich schon immer auf Barzahlung Wert gelegt.«
Viele Apartmenthäuser erlaubten einem, den Kaufpreis einer Wohnung höchstens zur Hälfte durch eine Hypothek zu bezahlen. Keine schlechte Idee, denn finanzielle Sicherheit war etwas Gutes. Unbedeutendere Häuser gestatteten vielleicht eine sechzig-
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