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Im Reich der Löwin

Im Reich der Löwin

Titel: Im Reich der Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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französischen König einen empfindlichen Dorn ins Fleisch getrieben, da deren Lage am Rand des Vexins von enormer strategischer Bedeutung war. Roland schluckte den bitteren Geschmack der Furcht und holte tief Atem. Während er mit gesenktem Kopf auf das Lazarettzelt zueilte, nahm er kaum den Gestank des Krieges wahr. Ob sich das Blatt nun endgültig zugunsten der Feinde Richards gewendet hatte?

Teil 3: Oktober 1196 – September 1198
     
Rom, der Vatikan, Oktober 1196
     
    »Was denn nun schon wieder?« In der vom Alter zittrigen Stimme des greisen Papstes Colestin schwangen Unmut über die Unterbrechung seines Gebetes, bei dem er immer öfter einnickte, und Verwunderung über die Botschaft des Erzbischofs Walter von Rouen mit. Seine knotigen Finger erbrachen das Siegel auf. Der Camerlengo , Angelo di Carpa, war hinter ihn getreten, um ihm über die Schultern zu blicken, die knackten, als Colestin ihm das in dichten Zeilen beschriebene Pergament resigniert zurückgab und grollte: »Wann sind diese winzigen Lettern in Mode gekommen? Lest es mir vor.« Ein Schmunzeln verkneifend nahm der selbst nicht mehr ganz junge di Carpa die Nachricht entgegen und las:
     
    »Eure Heiligkeit,
     
    eine Angelegenheit von unglaublich empörenden Ausmaßen zwingt den Bischof von Rouen, die Hilfe des Heiligen Stuhls anzuflehen; selbst nach ausdrücklichem Verbot der Diözese von Rouen hat sich der englische König, Richard Löwenherz, erdreistet, Kirchenbesitz zu okkupieren und auf der zum Bistum von Rouen gehörenden Felsklippe von Les Andelys mit dem Bau eines Kastells zu beginnen, das – nach Fertigstellung – sowohl die kirchliche Zollstation als auch die Einnahmen aus den umliegenden Dörfern gefährden wird. Selbst die Drohung, die gesamte Normandie mit dem Interdikt zu belegen, hat den Plantagenet nicht davon abhalten können, den Besitz der Kirche zu roden, die Leibeigenen der Diözese zur Arbeit anzuhalten und die Wälder zu bejagen. Somit ist dies zu einer Angelegenheit geworden, die nur von Euch, Eure Heiligkeit, entschieden werden kann.
    Der Bischof von Rouen vertraut auf Eure Weisheit und entbietet seinen demütigen Gruß.
     
    Erzbischof Walter von Rouen«
     
    Als di Carpa geendet hatte, schloss Colestin mit einem Stöhnen die Augen und faltete die Hände über dem aufgedunsen wirkenden Bauch. »Dieser Richard treibt mich noch in den Wahnsinn«, murmelte er, bevor er den Blick wieder hob und sich nach vorne beugte, um nach einem der angebissenen Äpfel zu langen, mit denen er seinen entzündeten Gaumen zu beruhigen pflegte. »Das kann ich jetzt nicht entscheiden«, beschied er schließlich und wies auf den Schreibtisch zu seiner Rechten. »Schickt Botschaft an beide, dass die Angelegenheit von Repräsentanten vorgetragen werden soll.« Er lächelte listig. »Damit gewinnen wir Zeit. Und bis es endlich zu einer Entscheidung kommen kann, wird der Status quo für sich sprechen.« Mit einem bewundernden Kopfschütteln ließ der Camerlengo sich auf den gepolsterten Schemel sinken und tauchte die Feder in das mit Heiligenszenen verzierte, goldene Tintenfass.

Die Normandie, Rouen, Oktober 1196
     
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht griff Richard Löwenherz sich an den immer noch bandagierten Oberschenkel, als er Anstalten machte, sich zu erheben und den beiden frisch Vermählten in der Kathedrale von Rouen den Bruderkuss zu geben. In dem prachtvollen, perlenbestickten Bliaud , dessen Farbe an die reifer Quitten erinnerte, wirkte selbst seine ansonsten wenig reizvolle Schwester Johanna blühend und jugendlich – ein Eindruck, der durch das Strahlen in den wasserblauen Augen unterstrichen wurde. Mit ihren einunddreißig Jahren war sie ihrem Gemahl, dem Grafen Raimund VI. von Toulouse, altersmäßig näher, als dieser es vielleicht gewünscht hätte. Doch trotz ihres einfachen, großflächigen Gesichtes verbarg sich unter dem Hochzeitsgewand ein Körper, den selbst ihr Bruder widerwillig mit einem bewundernden Blick bedachte. Über einem flachen Bauch wölbte sich eine gewaltige Brust, die sie durch die blutrote Schnürung ihres Gewandes dergestalt betont hatte, dass der silberhaarige Kirchenmann, der in Abwesenheit des Erzbischofs von Rouen die Trauung vollzogen hatte, Mühe gehabt hatte, während der Zeremonie die Augen davon abzuwenden. Und unter dem fließenden Stoff der Röcke zeichneten sich deutlich die prallen Rundungen ihrer immer noch straffen Rückseite ab. Mit einem unwilligen Blinzeln riss Richard den Blick von ihr

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