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Im Reich der Löwin

Im Reich der Löwin

Titel: Im Reich der Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Epilog
     
Châlus Chabrol, 6. April 1199
     
    Als das Ende kam, kam es zwar überraschend, aber für niemanden wirklich unerwartet. Zu oft hatte Richard Löwenherz an vorderster Front tollkühn sein Leben aufs Spiel gesetzt. Zu oft war er unter völliger Missachtung der Gefahr mitten ins Herz eines Kampfes gestürmt, nur um unversehrt und siegreich daraus hervorzugehen. Viele seiner Feinde hatten bereits gemunkelt, er sei mit dem Teufel im Bund, habe seine Seele an den Satan verpfändet, damit dieser ihn beschütze. Aber es kam der Tag, an dem weder Gott noch der Teufel den englischen Löwen vor dem Unausweichlichen bewahren konnten. Kaum sechs Monate nach dem Fall der Festung Gisors lag der mächtigste Krieger des Abendlandes im Sterben, während um ihn herum die Natur in voller Blüte zum Leben erwachte.
    Mühsam kämpfte Roland Plantagenet gegen die in seinen Augen aufsteigenden Tränen an, indem er die Kiefer so hart aufeinanderpresste, dass er vermeinte, die Knochen splittern zu hören. Nachdem es im Januar nach einigen Querelen zwischen den erbitterten Feinden unter päpstlicher Vermittlung endlich zu einem endgültigen Waffenstillstand gekommen war, der den Sieg des Engländers besiegelte, hatte Richard Löwenherz sich im März auf den Weg gemacht, um die rebellischen Barone im Süden seines Reiches, Ademar von Angoulême und Aimar von Limoges, ein für alle Mal zur Ordnung zu rufen. Nach erfolgreicher Niederwerfung einer Reihe von Burgen und Städten im Limousin hatte er sich ohne Aufenthalt zu der Festung von Châlus Chabrol begeben, in der die lächerliche Anzahl von vierzig Männern und Frauen der bereits begonnenen Belagerung durch die Engländer trotzte. Während seine Sappeure die Burgmauern unterminierten, hatte der englische König sich trotz aller Warnungen seiner Untergebenen vor elf Tagen ohne Rüstung in die unmittelbare Nähe des Turms vorgewagt, um die Fortschritte der Belagerung zu begutachten und mit seinen Begleitern über das den Rebellen bevorstehende Schicksal zu scherzen. Von König und Schildträgern unbeachtet war plötzlich ein seit Tagen einsam auf den Zinnen ausharrender Armbrustschütze in den Vordergrund getreten und hatte einen gezielten Pfeil auf den englischen König abgefeuert, der dessen linke Schulter durchbohrt hatte und tief in seinen Körper eingedrungen war.
    Roland schluchzte trocken, als Richard mit einem schwachen Drehen des Kopfes den Blick der ehemals Funken sprühenden grauen Augen auf ihn richtete und die Hand nach ihm ausstreckte. Mit weichen Knien trat er an das Lager seines Halbbruders, für den er trotz aller Auseinandersetzungen eine tiefe Liebe empfand. Er umklammerte die kalten Finger, die mit jedem rasselnden Atemzug an Stärke zu verlieren schienen. Warum musste er auch nur so verdammt starrsinnig sein?!, dachte er verzweifelt. Hätte er doch nur einmal seine Ungeduld gezügelt und auf den Arzt gewartet, anstatt den Pfeil selbst aus der Wunde entfernen zu wollen und den Schaft abzubrechen! Heiße Tränen rannen Rolands Wangen hinab in den Kragen seines Surkots , wo sie in dem kostbaren Stoff versiegten. Hätte er doch nur ein einziges Mal auf die Stimme der Vernunft gehört! Stattdessen hatte er den Heiler durch seine unüberlegte Voreiligkeit dazu gezwungen, die Wunde tief und klaffend zu öffnen, was zusammen mit der Verschmutzung durch das Geschoss dazu geführt hatte, dass innerhalb weniger Stunden der Wundbrand eingesetzt hatte. Da der König wusste, dass es dem Ende zuging, hatte er in den vergangenen Tagen seine letzten Verfügungen getroffen. Er hatte seinen Untergebenen den Treueschwur für John Lackland abgenommen und befohlen, das Leben des inzwischen gefangen genommenen Armbrustschützen zu schonen, denn dem Mann, dem es gelungen war, Richard Löwenherz zu bezwingen, gebührte Respekt. »Halte es in Ehren«, flüsterte er kraftlos, während Roland ein juwelenbesetztes Kruzifix in den Händen hin und her drehte, das aus dem Heiligen Land stammte. Noch bevor Roland eine Erwiderung stammeln konnte, lief ein heftiges Zittern durch den Körper des Königs und seine Augen brachen. Nicht fähig, seinen Schmerz zu zügeln, brach Roland vor dem Lager in die Knie und vergrub das Gesicht in den Gewändern des Toten.
    Als ihn nach einer scheinbaren Ewigkeit eine sanfte Hand auf die Beine zog, blinzelte er mühsam und wischte sich die Tränen aus den geröteten Augen. »Kommt«, forderte William Marshal, dessen Wimpern ebenfalls verräterisch

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