Im Schatten der Akazie
die Villa der Herrin Tanit.
Bogenschützen kletterten auf Bäume, von denen aus der Garten der Phönizierin einzusehen war, andere waren auf die Dächer der umliegenden Häuser gestiegen.
War Uriteschup allein oder mit Libyern zusammen? Würde er Bedienstete als Geiseln nehmen, wenn er merkte, daß er eingekesselt war? Serramanna hatte seine Soldaten angewiesen, sich völlig lautlos dem Anwesen zu nähern, denn er wußte, schon der kleinste Zwischenfall würde den Hethiter warnen.
Dennoch ließ er sich nicht vermeiden.
Als ein Söldner die Umfassungsmauer erklomm, verlor er den Halt und stürzte in einen Busch.
Eine Eule schrie, und Serramannas Männer hielten wie erstarrt inne, doch schon kurz danach gab der Sarde den Befehl, weiter vorzurücken.
Uriteschup hatte keinerlei Aussicht zu entfliehen, aber er würde sich nicht kampflos ergeben. Serramanna hoffte, daß er ihn lebend festnehmen und dem Gericht des Wesirs vorführen konnte.
Aus Tanits Schlafgemach drang ein schwacher Lichtschein.
Serramanna und ein Dutzend Söldner krochen über den vom Tau feuchten Boden, erreichten die Steinplatten, die rund um das Haus lagen, und stürmten das Gebäude.
Eine Dienerin stieß einen Schrei aus und ließ vor Schreck ihre irdene Öllampe fallen, die auf dem Boden zerschellte. Eine Weile lang herrschte höchste Aufregung. Die Söldner fochten gegen unsichtbare Gegner und hieben mit ihren Schwertern auf Möbel ein.
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»Ruhe!« brüllte Serramanna. »Licht her, schnell!«
Es wurden Lampen angezündet. Zwei Soldaten hielten die zitternde Dienerin fest und bedrohten sie mit ihren Waffen.
»Wo befindet sich Uriteschup?« fragte Serramanna.
»Als er merkte, daß die Herrin verschwunden war, schwang er sich auf sein bestes Pferd und ritt in gestrecktem Galopp davon.«
Vor Enttäuschung zertrümmerte der Sarde mit der Faust eine Vase aus Kreta. Der Hethiter war seinem Instinkt des Kriegers gefolgt und hatte, die Gefahr witternd, die Flucht ergriffen.
In das schmucklose Arbeitszimmer des Königs eingelassen zu werden kam für Serramanna dem Zutritt zum verschwiegensten Heiligtum des Landes gleich.
Ameni und Merenptah waren bereits anwesend.
»Die Herrin Tanit hat vor dem Wesir ausgesagt und ist inzwischen nach Phönizien zurückgekehrt«, berichtete der Sarde.
»Und Uriteschup hat sich mehreren Zeugen zufolge auf den Weg zu den Libyern gemacht, also zu seinem Verbündeten Malfi.«
»Das ist eine bloße Vermutung«, befand Ameni.
»Nein, eine Gewißheit! Uriteschup hat keine andere Zuflucht mehr, und er wird dem Kampf gegen Ägypten nie abschwören.«
»Leider«, beklagte Merenptah, »gelingt es uns nicht, Malfis Feldlager ausfindig zu machen. Dieser Libyer wechselt stetig seinen Standort. Aber wenn ich es recht bedenke, ist unser Mißerfolg eher ein gutes Zeichen, denn er beweist uns, daß Malfi es nicht schafft, eine richtige Armee um sich zu scharen.«
»Dennoch darf unsere Wachsamkeit nicht nachlassen«, 354
forderte Ramses. »Das Bündnis zweier auf Unheil sinnender und gewalttätiger Menschen stellt eine Gefahr dar, die wir nicht unterschätzen sollten.«
Serramanna setzte eine sehr würdevolle Miene auf.
»Majestät, ich möchte eine Bitte an dich richten.«
»Sprich.«
»Ich bin überzeugt, daß wir den Weg dieses Ungeheuers Uriteschup von neuem kreuzen werden. Gewähre mir die Gunst, gegen ihn, den ich mit eigener Hand zu töten hoffe, kämpfen zu dürfen.«
»Es sei dir gestattet.«
»Danke, Majestät! Was die Zukunft auch bringen mag, durch dich wird mein Leben schön gewesen sein.«
Der Sarde zog sich zurück.
»Du siehst mißmutig aus«, sagte Ramses zu Merenptah.
»Nach unendlich langen Wanderungen durch mehr oder minder feindliche Regionen nähern sich Moses und die Hebräer nun Kanaan, das sie für ihr Gelobtes Land halten.«
»Dann wird Moses ja sehr glücklich sein …«
»Die Stämme, die in diesem Landstrich leben, sind es freilich nicht. Sie fürchten dieses kriegerische Volk. Deshalb bitte ich dich einmal mehr um die Erlaubnis, mit unserer Armee einzugreifen, um die Gefahr im Keim zu ersticken.«
»Moses wird bis ans Ende seiner Suche gehen und seinen Getreuen eine Heimat schaffen, in der sie auf ihre Weise leben können. Das ist gut so, mein Sohn, und wir werden nicht eingreifen. Morgen werden wir mit diesem neuen Staat Gespräche führen und vielleicht seine Verbündeten sein.«
»Und wenn er uns feindlich gesinnt ist?«
»Moses wird nicht der Feind des Landes werden, in
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