Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
dieser Beleidigung blieb der junge Dietrich eine Erwiderung schuldig; schockiert rang er nach Worten, doch nach einem scharfen Blick seiner Frau zog er es vor, zu schweigen. Noch war er nicht Burgherr, noch musste er sich unterordnen. Unwillig half er mit, seinen Vater zur Tür zu führen.
Jetzt erschien Nikolaus der geeignete Moment, um seine Erkenntnisse aus der Untersuchung des Leichnams zu präsentieren. Er trat vor und verbeugte sich demütig.
»Ehrenwerter Herr von Manderscheid, ich muss Euch dringend etwas zu den Umständen des Todes Eures Sohnes Wilhelm sagen. Er kann nicht von der beschuldigten Christina ermordet worden sein. Es ist logisch nicht möglich.«
Doch Dietrich blickte nur durch ihn hindurch und ließ sich von Sohn und Schwiegertochter hinausführen. Nikolaus blieb konsterniert zurück. Warum wollte man ihn nicht anhören? Es musste doch im Interesse aller sein, den wahren Mörder des jungen Herrn zu finden! Einer nach dem anderen schob sich an Nikolaus vorbei aus dem Saal.
Zuletzt wurde auch Christina hinausgeführt. Als sie mit ihren Bewachern genau neben ihm war, fragte sie: »Habt Ihr mein Messer gestern gestohlen? Ihr seid der Einzige, der es eingesteckt haben kann.«
Die Soldaten wollten sie weiterschieben, aber sie stemmte sich gegen die Wachen. »Wartet bitte einen Moment!«, flehte sie.
»Mach keine Mätzchen, Weib«, knurrte der eine. »Sonst gibt´s gleich ´ne Tracht Prügel.«
Nun schritt Nikolaus ein. »Seid vorsichtig! Ihr habt gehört, was der Herr Dietrich befohlen hat!«
»Halt den Rand, sonst bist du auch dran.«
»Das würde meinem Freund Ulrich von Manderscheid gar nicht gefallen.«
Die beiden Wachen hielten erstaunt inne. »Ihr kennt den Herrn?«
»Ja. Ich kenne den Domdekan aus Köln.«
Die Soldaten blickten sich kurz an, nickten dann. »Aber schnell. Wir haben noch einiges zu tun.«
Außer sich wandte sich Nikolaus wieder an Christina: »Glaubt Ihr etwa, dass ich das Messer genommen und Wilhelm getötet habe?«
Sie blickte ihn flehentlich an. »Ich weiß es nicht. Ich weiß langsam gar nichts mehr. Aber wer sollte es denn sonst gewesen sein?«
»Nur jemand, der Euer Messer kannte und dem bewusst war, dass man Euch damit den Mord in die Schuhe schieben konnte.«
»Und was soll ich jetzt tun?«
Auch Nikolaus war ratlos. »Ich werd´ sehen, was ich machen kann. Ich spreche noch mal mit dem Herrn. Ansonsten suche ich für Euch den wahren Mörder. Das verspreche ich Euch.«
»Jetzt reicht´s!«, fuhr die Wache ruppig dazwischen.
Damit wurde Christina weggeführt. Im Hinausgehen drehte sie sich noch einmal um und warf ihm einen dankbaren Blick zu. Nikolaus lächelte krampfhaft.
»Was habe ich mir da nur eingebrockt?«, grummelte er vor sich hin. »Wie soll ich das denn schaffen? Ich bin doch nur ein geduldeter Fremder. In Obermanderscheid kann ich mich noch auf den Kurfürsten berufen, aber hier bin ich ein Nichts, ein Niemand. Dass ich Ulrich kenne, wird mir auch nicht groß weiterhelfen. Das kann schließlich jeder Hanswurst behaupten.«
Er war so in sein Selbstgespräch vertieft, dass er nicht bemerkt hatte, wie sich eine ältere Frau neben ihn gestellt hatte. Er erschrak, als sie sagte: »Der heimliche Engel ist wieder da.«
»Was habt Ihr gesagt? Wer ist wieder da?«
Sie seufzte tief und antwortete: »Der heimliche Engel ist wieder da.« Sie wischte sich die Tränen mit dem Ärmel ab und schlurfte hinaus.
Doch ehe sich Nikolaus gefangen hatte und ihr hinterherhetzte, war sie auch schon wie vom Erdboden verschluckt. Sie musste in irgendeins der benachbarten Gebäude entschwunden sein. Nikolaus blickte sich suchend um, aber außer einem Bediensteten und zwei Wachen, die ihn argwöhnisch beobachteten, war niemand zu sehen. Nikolaus war nun vollends durcheinander. Wen hatte die Alte gemeint? Christina? Oder jemand anders? Oder waren das nur die Hirngespinste einer schrulligen Alten?
Ratlos und niedergeschlagen ging Nikolaus den Berg hinab. Was war seit gestern nicht alles passiert! Hätte er Christina gestern nicht getroffen, wäre er nie auf den Gedanken gekommen, heute auf der Burg vorzusprechen. Wäre er nicht dabei gewesen, wie der Leichnam gebracht wurde, hätte er nie die Beweise für ihre Unschuld gesehen. Aber niemand interessierte sich dafür. Wer war überhaupt auf Christinas Seite?
»Ihr Vater muss helfen!«, schoss es Nikolaus durch den Kopf. Eilig machte er sich auf den Weg zur Mühle.
Beim Müller
Als Nikolaus bei der Mühle ankam, belud
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