Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
Schlucht eine scharfe Wendung nach rechts machte.
Jetzt erblickte er auch zwei Männer, die vor der Mühle standen und aufgeregt miteinander redeten. Die hektischen Armbewegungen ließen auf eine hitzige Diskussion schließen. Der eine Mann war eindeutig der Müller, den anderen kannte er nicht. Er trug einen eigenartig geformten Hut mit breiter Krempe, dessen rechte Seite an der Hutkrone befestigt war. Diese Kopfbedeckung passte so gar nicht zu den armen Leibeigenen, die üblicherweise bei der Niederburg zu sehen waren. Aber sie kam Nikolaus bekannt vor. Wo hatte er sie schon einmal gesehen?
Plötzlich hielt der Fremde dem Müller etwas in der hohlen Hand entgegen. Rüth schlug es ihm aus der Hand und bedeutete dem Mann, zu verschwinden. Der Mann mit dem auffälligen Hut klaubte etwas vom Boden auf, dann verschwand er rasch hinter den Bäumen. Nikolaus hätte zu gerne gewusst, wer der Mann war. Rüth war unterdessen im Haus verschwunden.
»Was wollte der denn von Reginus?«, murmelte Nikolaus. »Sollte das eine Bestechung sein?« Wofür? Oder eine Belohnung für etwas Geleistetes? Gerade jetzt, wo Christina im Kerker saß? Nikolaus grübelte. Dem Müller Geld zu geben war nichts Ungewöhnliches – er leistete ja Arbeit durch das Mahlen des angelieferten Getreides. Doch hier schien es nicht um etwas Geschäftliches gegangen zu sein. Oder war es nur ein zufälliges Zusammentreffen von Situationen, die rein gar nichts miteinander zu tun hatten?
Nikolaus schreckte aus seinen Überlegungen auf, als plötzlich ganz in seiner Nähe ärgerliche Stimmen erklangen. Ehe er sich versah, standen die beiden jungen Männer vor ihm, die gestern Nachmittag die Auseinandersetzung mit dem Amtmann gehabt hatten. Sie waren mindestens genauso erschrocken wie er und blieben wie angewurzelt stehen. Doch sie hatten sich schnell gefangen und wollten sogleich wortlos weitereilen.
Doch Nikolaus ergriff die Gelegenheit sofort beim Schopf, grüßte höflich und stellte sich kurz vor.
Die Antwort der Bauern war alles andere als freundlich. Anstatt einer entsprechenden Erwiderung kam nur: »Was wollt Ihr von uns?«
»Ich habe gestern von Eurem Unglück gehört, dass Ihr Euer Pferd hergeben musstet. Bitte haltet mich nicht für neugierig. Aber da ich hier fremd bin, interessiert es mich schon, wie es nun weitergeht. Ich würde mich freuen, wenn ich helfen könnte.«
Die beiden Brüder blickten sich kurz an. Etwas ruhiger antwortete der Ältere: »Ihr wisst, was Kurmund ist?«
»Ja.«
»Dann könnt Ihr Euch ja vorstellen, was das für Leute bedeutet, die sonst schon nicht genug zu beißen haben.«
»Und der Burgherr hat darauf bestanden, das Pferd zu bekommen?«
»Nee, eigentlich nicht. Es war der junge Herr, der Wilhelm. Er hat im letzten Jahr von seinem Vater die Aufsicht über die Steuern und Abgaben bekommen. Er wollte, dass wir als Ersatz für die Arbeitskraft unseres Vaters das Pferd abgeben.«
»Dieses dreckige Schwein!«, fiel ihm nun sein Bruder lautstark ins Wort. »Es war zwar ein altes Pferd, aber unser einziges! Das ist reine Gehässigkeit! Er weiß genau, dass wir nun keine Dienste mehr leisten können!«
»Ihr hättet also genug Grund, Wilhelm zu hassen?«
»Oh ja! Wie viele andere auch, aber wir haben ihn nicht getötet! Das wolltet Ihr doch damit sagen, oder?«
Nikolaus hob abwehrend die Hände und entschuldigte sich. Er habe keinesfalls die Absicht, sie anzuklagen, versicherte er. Aber zu verdächtigen schon, ergänzte er in Gedanken.
»Habt Ihr denn keine Verwandten, die helfen könnten?«
»Wir waren gerade im anderen Tal beim jüngeren Bruder unserer Mutter, aber der hat auch kein Pferd übrig. Unser älterer Onkel aus Obermanderscheid hatte nur etwas Geld, damit wir uns für ein paar Tage ein Pferd leihen können. Aber das reicht nicht.«
»Könnt Ihr denn hoffen, dass Ihr jetzt nach Wilhelms Tod das Pferd zurückbekommt?«
Der jüngere Bauer tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. »Wovon träumt Ihr nachts? Was einmal in der Burg ist, ist auf immer verloren.«
Sein Bruder ergänzte: »Wie Ihr seht, nützt uns Wilhelms Tod rein gar nichts! Dafür hat aber der Thies endlich seinen Willen.«
Nikolaus zog die Augenbrauen überrascht hoch. »Inwiefern?«
»Ach! Der tut doch so, als wäre er selbst ein Burgherr. Dabei war sein Vater früher selbst Leibeigener bei den Manderscheidern. Dann hat er sich freigekauft. Keiner weiß, wo der alte Thies das Geld herhatte. Einige behaupten ja, durch irgendwelche
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