Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
nicht verdient.«
»Aber du, was?«, rief einer dazwischen.
Wieder gab es ein lautstarkes Gelächter. Die folgenden Scherze überhörte Nikolaus geflissentlich.
Nachdem sich alle wieder beruhigt hatten, bemerkte einer: »Außerdem muss Katharinas Mitgift ganz ordentlich gewesen sein.«
»Woher willst du das denn wissen?«
»Guck´ dir doch mal an, was die Katharina immer zur Messe anhatte! Oder wie Christinas Kleider aussehen! Ich habe erst letztens von einem Freund aus Daun gehört, was Reginus beim Schneider dort alles in Auftrag gegeben hat. Erinnert ihr euch an Christinas schwarzes Kleid? Das mit der roten Stickerei?«
Die Männer in der Runde nickten zustimmend. Einer bemerkte noch: »Zum Anbeißen.«
»Dafür hätte man ein ganzes Pferd bekommen!«
»Nein!«
Die Anwesenden waren sichtbar verblüfft. Den Gegenwert eines Arbeitstiers nur für Kleidung auszugeben, war für die einfachen Leute, die mehr schlecht als recht über die Runden kamen, eine unerhörte Vorstellung. Nikolaus war nicht weniger erstaunt als die anderen Gäste. Woher stammte das Geld? Hing der ungewöhnliche Reichtum mit der Szene zusammen, die er am Nachmittag zufällig beobachtet hatte, als der Unbekannte mit dem großen Hut dem Müller hatte Geld geben wollen? In welche dunklen Geschäfte war Reginus Rüth verstrickt? Was hatte er zu verheimlichen?
Plötzlich wurde dem jungen Mann heiß und kalt. Warum war der Müller gestern so ablehnend gewesen, als er ihm Hilfe angeboten hatte? Hatte er Angst, dass dann seine Mauscheleien aufgedeckt würden? Opferte er lieber seine Tochter, als dass sein ungesetzliches Treiben ans Licht kam?
»Dieses Schwein!«, knurrte Nikolaus wütend. Zum Glück hatte keiner der anderen Gäste ihn gehört.
Nun fragte der Wirt: »Hat einer von euch schon mal Reginus wegen ´ner Heirat angesprochen? Ein paar von euch haben doch Söhne im richtigen Alter. Was für ´ne Mitgift will er denn?«
Niemand antwortete. Nur einige der Männer schauten verstohlen zu einem hinüber, der den ganzen Abend kaum etwas gesagt hatte. Er bemerkte die auffordernden Blicke, und sein Gesichtsausdruck versteinerte sofort. Nervös sah er sich um, stand ruckartig auf, warf rasch einen Heller auf den Tisch und war fort, bevor jemand etwas sagen konnte.
Die Zurückgebliebenen grinsten sich hämisch zu. Einer der Männer bemerkte: »Er hat tatsächlich bei Reginus wegen Christina vorgesprochen.«
»Wegen seines Sohnes!«, höhnte ein Zweiter.
Nun amüsierten sich alle gemeinsam über den Zechkumpan. »Der Dunkel hat doch schon Ärger mit seiner Frau, wenn er einmal zu lange hinter Christina herschaut. Die Alte glaubt, er wolle das Mädchen eher für sich selbst.« Es folgte ein gellendes Gejauchze.
Der Wirt mischte sich ein. »Liebe Freunde, lasst ihn! Er und seine Frau sind schon übel dran, seit ihre Tochter letztes Jahr bei der Geburt des Kindes gestorben ist.«
Den Anwesenden blieb das Lachen im Halse stecken. Sie blickten verschämt auf ihren Bierkrug oder zur Seite. Sie hatten es einfach vergessen – oder vielmehr verdrängt.
Der Wirt befriedigte Nikolaus´ Neugier, indem er weitersprach: »Das Mädchen war noch viel zu jung. Gerade mal vierzehn. Sie hat keinem verraten, wer der Vater war. Aber allen ist klar, es konnte nur Wilhelm gewesen sein.«
Die anderen stimmten brummend zu. »Der Martin hat allen Grund, seine Tochter zu rächen.«
»Oder …«, der Wirt blickte in die Runde, bis er der Aufmerksamkeit aller sicher war, »… es war Vergeltung für den Berger. Erinnert ihr euch noch?«
Alle nickten stumm.
»Berger hatte gerade seine schöne, junge Frau geheiratet, als Wilhelm anfing, ihr hinterherzuschleichen. Berger machte aber den Fehler, dass er sich offen gegen Wilhelm stellte. Er ging zum alten Dietrich und beschwerte sich. Zwei Tage später lag der arme Kerl ertrunken in der Lieser. Wer hat sich damals darum geschert, dass der Mörder seine gerechte Strafe erhielt?«
Die Männer schwiegen. Die Antwort war zu offensichtlich.
»Seitdem musste Bergers Frau als Magd auf der Burg schuften. Und als sie ein Kind bekam, wurde sie wie ein räudiger Hund weggejagt. Weiß einer von euch, was aus ihr geworden ist?«
Die Antwort war Kopfschütteln.
»Hatte sie noch Verwandte?«
Einer der Männer brummte: »Sie hatte noch einen Bruder. Vielleicht ist sie dorthin.«
Nikolaus hatte aufmerksam zugehört. Die Erzählung passte zu Wilhelms bisherigen Frauengeschichten. Ohne Rücksicht auf seine Favoritinnen und ihre
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