Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
habe da noch eine Frage zu einem ganz anderen Thema. Hat der hochverehrte Amtmann eigentlich noch ein Haus hier im Ort? Ich meine, außer der Kelletrei drüben.«
»Ja, dort drüben.« Kalle Kleinz zeigte durchs Fenster auf eine Gasse am Marktplatz. »Der zweite Hof links. Da wohnt er.«
Dacht´ ich es mir doch, schoss es ihm durch den Kopf. Von dort waren in der ersten Nacht die beiden Reiter gestürmt. Und wer hatte ihn begleitet? »Hat der Thies eigentlich viel Verwandtschaft hier?«
»Keine. Sein Vater konnte sich ja von den Herren drüben freikaufen. Aber dort hat er noch einen Onkel, den Großbauern Roden. Das ist ein reicher und angesehener Mann.«
»Ich nehme an, der Bruder seiner Mutter.«
»Ihr habt´s erfasst.«
»Wenn er so reich ist, warum hat er sich dann nicht freigekauft, so wie sein Schwager das gemacht hat?«
Der Wirt zuckte mit den Schultern. »Der alte Dietrich hat es nicht akzeptiert.«
»Warum?«
»Von manch einem Leibeigenen profitiert der Herr halt. Der Großbauer macht eben gute Geschäfte. Bei einigen anderen ist man wohl eher froh, wenn die sich vom Acker machen.«
Nikolaus nickte. Wenn der Amtmann seine Arroganz und Unredlichkeit von seinem Vater geerbt hatte, war es wirklich kein Wunder, dass der Burgherr den Thies hatte ziehen lassen. So wurde man einen Gauner elegant los und bekam auch noch Geld dafür. Wahrscheinlich gerade jenes, um das man vorher betrogen worden war. Und der breitkrempige Hut des einen Reiters beim Fuhrwerk in der ersten Nacht hatte eine frappierende Ähnlichkeit mit dem des Unbekannten, der Rüth hatte Geld geben wollen. Nicht dass das schon ein Beweis war, aber die Übereinstimmung war auffällig genug, um sie im Sinn zu behalten.
Kopfschüttelnd schaute der junge Mann aus dem Fenster – gerade in dem Augenblick, als Pater Ruprecht den Marktplatz in Richtung Stadttor überquerte.
Der Wirt bemerkte den Blick und erklärte: »Der besucht jetzt seinen Bruder, der ein Stück weiter bei Bettenfeld wohnt. Das macht er jeden Donnerstag. Morgens früh marschiert er los und ist zum Abend zurück.«
»Wo liegt Bettenfeld?«
Kleinz zeigte die Himmelsrichtung an.
»Das ist doch genau entgegengesetzt zu den Burgen!«, rief Nikolaus erregt.
»Stimmt.«
»Seid Ihr sicher, dass der Pater seinen Bruder besucht?«
»Also …«, sagte der Wirt unsicher, »ich nehme es mal an, weil er das jede Woche so macht. Aber garantieren kann ich es natürlich nicht.«
Der junge Mann sprang auf, bedankte sich kurz und eilte hinaus. Vorsichtig schlich er über den Marktplatz, immer nahe an den Häusern entlang, um nicht entdeckt zu werden. In gebührendem Abstand folgte er Ruprecht. Der nahm tatsächlich den Weg geradeaus. Jenen, der sich über den Hügel ins Nachbartal schlängelte, und nicht den, der nach links um die Stadtmauer herum und dann zur Niederburg führte.
Nikolaus trat ärgerlich gegen einen Stein. Der Kerl hatte doch versprochen, heute Morgen wegen Christina beim Herrn Dietrich vorzusprechen. Warum tat er das nicht? Oder hatte er es vergessen? Quatsch! So etwas Wichtiges konnte man nicht vergessen.
»Was für ein Spiel treibst du?«, knurrte Nikolaus. »Wenn du nicht zum Herrn gehst, muss ich das wohl selbst noch einmal versuchen.«
Aber vorher wollte er zum Müller. Hoffentlich war Rüth heute Morgen gesprächiger. Er wollte endlich wissen, ob Christina einen Freund oder gar Bräutigam hatte. Und wenn ja, wer es war.
Unangenehme Begegnung in der Mühle
Nikolaus klopfte mehrfach an die Eingangstür der Mühle, aber nichts rührte sich. Er trat ein paar Schritte zurück und versuchte, in die Fenster zu blicken. Niemand war zu sehen. Das Knirschen des großen Wasserrades zeigte ihm, dass Reginus höchstwahrscheinlich bei der Arbeit war und beim Lärm des Mahlwerks nichts hören konnte. Der seitliche Eingang stand offen, sodass Nikolaus in das Halbdunkel des Raumes mit der riesigen Mechanik trat. Aber außer den Wellen, Zahnrädern und Säcken in der Ecke war nichts zu sehen.
Auf der anderen Seite befand sich die Tür zum Wohnbereich – sie war nur angelehnt. Durfte er sich trauen, dort unaufgefordert einzutreten? Was wäre, wenn der Müller plötzlich vor ihm stand? Was sollte er sagen? Gestern waren die beiden alles andere als in Frieden auseinandergegangen.
»Na ja, vielleicht ist Reginus heute gesprächiger. Ich muss endlich mit ihm reden. Es geht schließlich um Leben und Tod, um das Schicksal seiner Tochter. Auf geht´s!«
Forschen Schrittes
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