Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
also nicht der Einzige, der vom Pech verfolgt war.
Mit einem Seufzer der Erleichterung breitete er die Schriftstücke auf dem Tisch aus und begann sie zu studieren.
Doch ehe er etwas verstehen konnte, erklang eine ärgerliche Stimme hinter ihm: »Was macht Ihr da?«
Nikolaus wirbelte herum. In der Tür zum Mahlwerk stand der Müller Rüth und schwang einen Knüppel bedrohlich durch die Luft. Sein Gesichtsausdruck verriet seine kaum zu zügelnde Wut. Langsam kam er näher. Jetzt war Nikolaus der Ertappte, nun hatte er diese verfängliche Situation zu erklären. Ängstlich schob er sich um den Tisch herum, um ein wenig Distanz zu dem wütenden Hausherren zu bekommen.
»Bitte … bitte … äh … versteht das nicht falsch«, stammelte er.
»Was soll man da denn falsch verstehen?«, kam es knurrend wie ein bissiger Hund.
»Je… jemand wollte diese Listen hier stehlen.« Er zeigte auf die Papiere vor sich auf dem Tisch.
»Ja. Ihr!«
»Nein, nein. Jemand anders. Ich konnte ihn aber stören, sodass er die Sachen hier zurückließ.«
Jetzt stand Rüth genau auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches. Ein kräftiger Schwung mit dem Knüppel, und er hätte Nikolaus ohne Probleme einen neuen Scheitel ziehen können.
»Das könnt Ihr Eurer Großmutter erzählen.«
Der junge Mann wusste weder ein noch aus. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Seine Kehle war trocken und wie zugeschnürt. Er erwartete jeden Augenblick den Schlag. Wie konnte er beweisen, dass er unschuldig war? Es sprach doch alles gegen ihn! Sein leichtsinniges Eindringen, die herumliegenden Listen. Wieso konnte dieser andere Kerl davonkommen und er nicht? Wenn der Müller nicht so schnell gekommen wäre, hätte nichts auf Nikolaus´ Besuch hingewiesen. Er hatte keinen Hut, den er verlieren konnte.
»Der Hut!«, platzte es aus ihm heraus. »Hier, der Hut.« Er hielt Reginus die große Kopfbedeckung des Maskierten entgegen. »Den hat der andere hier verloren, als ich ihn überraschte.«
Der Müller ließ den Knüppel sinken und griff mit der linken Hand nach dem Hut.
»Ich nehme an, Ihr erkennt ihn wieder.«
Reginus schwieg und starrte den Hut an.
»Glaubt Ihr mir jetzt, dass ich die Listen nicht stehlen wollte?«
»Verschwindet!«, kam es knirschend.
»Wem gehört der Hut? Wie heißt der Mann? Ihr wisst es doch ganz genau!«
Der Müller wiederholte nur stur: »Verschwindet!«
»Warum wollt Ihr es mir nicht sagen?«
Jetzt blickte der Müller wieder auf. »Wenn ich bis drei gezählt habe und Ihr seid immer noch da, vergesse ich mich.«
»Schon gut, schon gut.« Nikolaus hob beschwichtigend die Hände. »Wenn Ihr schon mir nicht helfen wollt, dann tut es wenigstens für Eure Tochter. Sonst ist es schon bald mit ihr zu Ende.«
Im weiten Bogen schlich er an der Wand entlang zur Tür – immer Reginus Rüth im Auge. Bereit, beim kleinsten Anzeichen von Gefahr loszulaufen. Als er den Durchgang zum Mahlwerk erreicht hatte, sauste er los, als wäre der Teufel hinter ihm her. So schnell war er schon seit Jahren nicht mehr gerannt. Erst als er die Mühle schon ein ganzes Stück hinter sich gelassen hatte, riskierte er einen Blick über die Schulter. Vom Müller war nichts zu sehen.
Schwer atmend blieb er stehen. Erst der Kampf mit dem Unbekannten und jetzt noch fast Prügel von Christinas Vater. Unter Helfen hatte er sich etwas anderes vorgestellt. Dass die Suche nach einem Mörder nicht leicht sein würde, war klar gewesen. Dass er hier nicht mit offenen Armen aufgenommen wurde, war auch nicht verwunderlich. Aber dass er sich jetzt seiner Haut erwehren musste, sprengte doch alle Vorstellungen. Der Müller hätte doch dafür dankbar sein sollen, dass Nikolaus alles tat, um Christina zu helfen und ganz nebenbei noch den Diebstahl der Listen verhindert hatte. Aber Undank war der Welten Lohn.
Was sollte er nun anfangen? Wohin konnte er sich wenden? Wer stand auf seiner Seite? Er brauchte jetzt unbedingt einen Erfolg. Vielleicht sollte er versuchen, Christina zu besuchen. Wenigstens sie sollte Wertschätzung für seine Bemühungen haben.
Besuch bei Christina
Den Wachen der Niederburg erklärte Nikolaus, dass er als geistlicher Beistand für die gefangene Müllerstochter gerufen worden war. Doch der Soldat sagte unfreundlich, dass er keinen Fremden hereinlassen dürfe. Wenn er nicht sagen könne, wer ihn gerufen hatte, müsse er auf der Stelle wieder gehen.
Der Bursche war hartnäckiger, als sich Nikolaus vorgestellt hatte. Deshalb antwortete er
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