Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
machen sollen? Vielleicht war er bei der Schändung beteiligt gewesen? Oder Wilhelm hatte, als er das Interesse an dem Mädchen verloren hatte, sie großmütig an ihn weitergereicht?
Dann war da immer noch dieser geheimnisvolle Freund von Christina. Gab es ihn wirklich? Oder war das nur eine Vermutung Isabes? Selbst Margareta tat so, als glaubte sie nicht daran. Wenn doch Reginus Rüth seinen Mund aufmachen würde! Aber warum sollte jemand so dämlich sein, das verräterische Messer seiner Liebsten zurückzulassen? Oder hatte Christina ihn zum Teufel gejagt? Und er hatte dann aus Rache Wilhelm getötet, weil der sie nun ständig umgarnte, und den Mord ihr untergejubelt. Aber warum hätte er dann Wolfgang töten sollen?
Nikolaus dachte auch an seinen Besuch auf der Burg. Was hatte Dietrich doch noch gleich gesagt? Wilhelms Tod sei unvermeidlich gewesen. Ihm waren die Eskapaden seines Sohnes also sehr bewusst gewesen, er hatte jedoch nichts dagegen unternommen. Vermutlich fühlte er sich deswegen sogar mitschuldig. Kein Wunder, dass er so litt, das kam ja noch zu seiner Trauer um den Sohn hinzu.
Noch eine andere Bemerkung Dietrichs brachte Nikolaus zum Grübeln: Wilhelm hätte Christina nie anfassen dürfen, das wäre sein Todesurteil gewesen. Aber durch wen vollstreckt? Er musste die junge Frau gemeint haben, denn er sprach davon, dass die Mörderin ja schon gefunden sei.
Und noch etwas fiel Nikolaus ein – das seltsame Betragen Dietrichs, als er Christina am Totenbett seines Sohnes gesehen hatte; er schien regelrecht schockiert. Erinnerte sie ihn an jemanden? An seine verstorbene Frau, an seine Mutter, an eine Schwester oder vielleicht an eine Jugendliebe?
Und nun? Was sollte Nikolaus als Nächstes tun? Vielleicht sollte er wirklich versuchen, das Fuhrwerk des Großbauern Roden auf Blutspuren zu untersuchen. Aber selbst wenn er welche fand, so war dies noch lange kein Beweis. Sie könnten auch von einem der Knechte beim Beladen hinterlassen worden sein, man konnte sich leicht an den scharfkantigen Felsstücken verletzen.
»Mistkram!«, schimpfte er.
Doch dann fiel ihm noch eine Sache ein. Dem Pater Ruprecht sollte er noch einmal auf den Zahn fühlen. Warum war der Priester nicht wie versprochen zum Burgherrn gegangen, um für Christina ein gutes Wort einzulegen? Nikolaus war gespannt auf seine Antwort.
Mit neuem Schwung stand er auf und marschierte weiter nach Obermanderscheid.
Beim Pater
Nikolaus musste den Priester nicht lange suchen. Zusammen erreichten sie das Kirchenportal. Der junge Mann grüßte den älteren und verbeugte sich höflich. Der Gruß wurde sehr förmlich erwidert. Pater Ruprechts Stimmung war auffallend eisig und distanziert, sein Blick finster.
Mit einem betont freundlichen Lächeln fragte Nikolaus: »Konntet Ihr heute Morgen beim Herrn Dietrich etwas erreichen?«
Herrmann Ruprecht räusperte sich. »Heute Morgen hatte ich dringendere Sachen zu erledigen.«
Also hatte der Wirt doch richtig vermutet, dass er seine Verwandtschaft besucht hatte. In Nikolaus stieg der Zorn auf. »Was gibt es denn Wichtigeres, als ein unschuldiges Leben zu retten?«
»Ihr wagt es, mir Vorschriften zu machen?«
»Ihr hattet es mir versprochen. Unser Herr Jesus Christus sagte warnend: Euer Ja bedeute ja.«
Der Pater richtete sich drohend auf. »Ihr nehmt Euch ja wirklich viel heraus. Meint Ihr, nur weil Ihr einen Doktortitel habt, seid Ihr etwas Besseres?«
»Seine Schulden zu bezahlen, hat nicht mit einem Titel zu tun.«
Der Pater musste sich sichtlich beherrschen, um nicht ausfallend zu werden. »Na gut. Wenn Ihr es genau wissen wollt. Ich war gerade eben beim Herrn. Aber leider wollte er mich nicht empfangen. Wollt Ihr mir daraus einen Strick drehen?«
Nikolaus sagte nichts. Er blickte sein Gegenüber nur starr an. Wenn der Priester gerade zurückgekommen war, hätte er ihn sehen müssen – entweder auf der Straße oder in der Burganlage. Schließlich hatte er geraume Zeit am Talrand gesessen und nachgedacht.
Ruprecht sprach weiter: »Dann versuchte ich es bei Dietrich, dem Sohn. Doch der war nicht anwesend. Aber morgen werde ich es wieder versuchen. Aber Ihr«, dabei zeigte er mit dem Finger auf Nikolaus, »solltet lieber Eure Sachen packen und weiterziehen.«
Der junge Mann war zu aufgebracht, um sich einschüchtern zu lassen. »Warum? Und wenn ich den wahren Mörder nun finde?«
»Ha! Bildet Ihr Euch da nicht ein bisschen viel ein?«
»Vielleicht. Aber wer sonst kümmert sich darum? Alle
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