Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
– zum Beispiel den Dorftrampel Isabe – ausgefallen wäre, hätte er niemals andere Menschen wissentlich falsch beschuldigt, nur um die junge Frau zu retten. Er wollte nichts als die Wahrheit ergründen. Dass er Christina interessant fand, disqualifizierte ihn doch nicht zwangsläufig.
So wie er die Lage einschätzte, würde Ruprecht auch gegenüber anderen nicht mit seiner Meinung über die eiskalte Mörderin und ihren herumschnüffelnden Komplizen hinter dem Berg halten. Als Priester hatte sein Wort bei den Leuten Gewicht. Egal was Nikolaus ab jetzt tun oder sagen sollte, es würde ganz genau beobachtet und daraufhin beurteilt, ob er den wirklichen Täter finden oder nur von Christinas Schuld ablenken wollte.
Wie schon mehrere Leute ihm geraten hatten, sollte er sich schleunigst auf den Weg machen und verschwinden. Langsam hatte er tatsächlich die Hoffnung aufgegeben, hier noch etwas bewirken zu können.
Mit Wasser aus einem Krug wusch Nikolaus sich das Gesicht. Ein wenig erfrischter stieg er die Treppe in die Gaststube herunter. Die Anwesenden schauten neugierig zu ihm herüber. Bestimmt wusste jeder, was mittags in der Burg passiert war und dass man ihn für den Mörder Wolfgang Heckens gehalten hatte. Doch nachdem der Wirt Nikolaus einige Speisen gebracht hatte, richteten sich die Gespräche der Nachbarn wieder auf andere Dinge. Mit der Zeit vergaßen sie, dass ein Fremder dort hinten in der Ecke saß und mit halbem Ohr zuhörte.
Wilhelm von Manderscheids Tod war kein Thema mehr, und der Mord an seinem Freund schien die Leute nicht so sehr zu bewegen. Es ging mehr um die erhofften Erträge der bevorstehenden Ernte, um die Nörgelei ihrer Frauen, um die natürlich viel zu hohen Steuern und wer wie viele Dienste für den Herrn auf der Burg leisten musste.
Plötzlich wurde Nikolaus hellhörig. Es ging um irgendwelche nächtlichen Beobachtungen.
»Doch! Das könnt ihr mir ruhig glauben!«, versicherte einer der Gäste.
Sein Gegenüber tippte sich an die Stirn. »Du hast doch einen Sparren locker!«
»Mein Bruder in Bettenfeld hat es mit eigenen Augen gesehen.«
»Quatsch!«
»Eine blonde Frau, ganz schwarz gekleidet, ritt auf einem schwarzen Pferd und stieß dabei grässliche Schreie aus. Das war Katharina, die ihre Tochter rächen will.«
»Das war eher deine Alte, als du besoffen nach Hause gekommen bist.«
Die ganze Runde brach in Grölen und Lachen aus. Einer nahm gerade einen kräftigen Schluck, als er den derben Scherz hörte, und verschluckte sich an seinem Bier. Prustend spie er es über den Tisch, sodass die anderen nun auf den Unglücksraben einschimpften und ihn knufften.
»Ihr seid doch selber schuld!«, rief er in die Runde. »Dann erzählt doch nicht so´n Blödsinn!«
Nach einigen weiteren Scherzen kehrte wieder Ruhe ein, und die Männer waren wieder beim ursprünglichen Thema angekommen.
»Das ist bestimmt der Teufel auf Wilhelms Pferd. Glaubt´s mir! Der Pferdefüßige freut sich, dass er endlich mal einen bekommen hat, der genauso böse ist wie er selbst.«
»Das war eindeutig Katharina. Ich habe doch ihren Sarg getragen. Der war leer. Die hat ihren Tod nur vorgetäuscht, um sich an all denen zu rächen, die sie oder ihre Tochter immer schikaniert haben. Und jetzt war Wilhelm dran.«
»Ach was!«, rief ein anderer. »Das ist Christina! Die hockt jetzt oben in der Burg und kann nicht mehr raus. Dafür schleicht sich ihr Geist nachts davon und reitet auf Wilhelms Pferd.«
Mehrere erhoben lautstark Einspruch. Erst als einer beteuerte, dass Pater Ruprecht so etwas in der Morgenmesse angedeutet hatte, wurde es akzeptiert. Die Diskussion ging noch eine ganze Weile hin und her. Zwischendurch musste der Wirt die Humpen auffüllen, damit die Zecher wieder ausreichend Schmieröl für ihre blühende Fantasie hatten.
Plötzlich bemerkte einer: »Es wird bestimmt noch mehr Tote geben. Wilhelm und Wolfgang waren nur der Anfang. Seit die Frau des Herrn tot ist, ist er nicht mehr der Alte. Der ist bestimmt verflucht.«
»Red keinen Unsinn!«, wurde er unterbrochen. »Du hast dir deinen Verstand doch schon weggesoffen.«
»Musst du grade sagen! Du hast doch schon mehr gebechert als wir alle zusammen.«
Jetzt mischte sich Kalle Kleinz schlichtend ein. »Liebe Freunde, bitte keinen Streit. Wir wollen hier einen gemütlichen Abend verbringen und ein bisschen plaudern. Ist es der alte Dietrich wert, dass wir uns wegen dem die Köpfe einschlagen?«
Die Leute guckten sich betreten an. Nach
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