Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
Nikolaus durch den Ort. Nach dem, was er heute alles erlebt hatte, wollte er jede unnötige Begegnung bei der Burg vermeiden. Er war ganz knapp dem Kerker entronnen und wollte niemandem einen Anlass geben, dies am Nachmittag zu wiederholen. Wahrscheinlich wurde er auf seinem Weg beobachtet. Also Augen zu und durch.
Erst als er die Kuppe auf der Talseite vor Obermanderscheid erreicht hatte, machte er eine Pause. Erschöpft und außer Atem setzte er sich auf einen Stein am Straßenrand, um sich auszuruhen. Von hier aus hatte man einen sehr guten Blick auf die Burgen und den kleinen Ort im Tal. Man konnte genau beobachten, was in der Burganlage und auf den Straßen vor sich ging. Wer wohin unterwegs war, wer mit wem redete. Es war, als würde ein Buch offen herumliegen, in dem man nach Belieben lesen konnte.
Wie zum Beispiel das Pärchen, das auf halber Höhe der Burg miteinander sprach. Der Soldat stand ganz ruhig da, während die Frau offensichtlich aufgebracht war. Hatten die beiden etwa eine Auseinandersetzung? War es ein Streit unter Liebenden?
»Das ist doch Margareta«, murmelte Nikolaus plötzlich. Ja, es war tatsächlich die Magd. War das da ihr Bräutigam, von dem sie gesagt hatte, dass er sie betrogen hatte? So wie sie sich aufführte, war der Gedanke nicht so abwegig. Vielleicht ein letzter Versuch, ihn umzustimmen, vielleicht aber auch ein endgültiger Abschied. Oder war dies etwa ihr neuer Favorit? Als sich der Soldat kurz zur Seite drehte, konnte er ihn endlich auch erkennen. Es war der Hauptmann Konrad Seidel.
»Ach? Ihr zwei seid ein Pärchen? Schau mal an.« Jetzt konnte er sich auch vorstellen, warum die beiden die hitzige Debatte miteinander hatten. Als die Magd Nikolaus heute Mittag angeklagt hatte, Wilhelm und Wolfgang ermordet zu haben, hatte Seidel ihr erklären müssen, dass es dafür keine Beweise gab. Darüber war sie ziemlich erbost gewesen. Solch eine Zurechtweisung – und ausgerechnet von ihrem Liebsten – musste sie ganz schön gewurmt haben.
Jetzt klammerte sich die Magd an den Arm des Soldaten und wollte den Mann fortziehen. Er versuchte jedoch sie abzuschütteln und zeigte auf ein paar Wachen in der Nähe. Nikolaus konnte erkennen, dass sich die Männer an der Szene ergötzten. Das war bestimmt nicht förderlich für den Respekt vor dem Hauptmann. Doch schließlich verschwand das Pärchen zusammen hinter einer Mauer. Vielleicht vertrugen sie sich ja jetzt wieder, und Margareta bekam doch noch ihren Märchenprinz. Aber auch ein Soldat würde sie nicht aus diesem Tal entführen können.
Nikolaus lächelte. Wären seine Probleme doch auch nur so schnell lösbar. Er saß in der langsam niedriger wandernden Sonne und dachte angestrengt nach. Sicher, er hatte die Sache mit dem nächtlichen Transport aufdecken können. Der Kurfürst würde dem schnell einen Riegel vorschieben. Aber welchen Vorteil konnte Nikolaus im Moment daraus ziehen? Keinen. Er musste beweisen, dass Thies und Roden den Mord an Wilhelm begangen hatten, damit ihre dunklen Geschäfte nicht entdeckt würden. Unter diesem Gesichtspunkt war es ein genialer Schachzug, die Schuld auf Christina zu schieben. Mithilfe ihrer Listen konnte sie beweisen, dass der Großbauer mehr Getreide mahlen ließ, als er gemäß der Erhebung der Steuern haben durfte. Kein Wunder, dass der Kerl versucht hatte, die Dokumente zu stehlen. So hätte er zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
Davon abgesehen war jetzt klar, dass die Vettern Wilhelm nicht getötet hatten. Wolfgang war dem gleichen Täter zum Opfer gefallen. Wilhelms Schwert war gestohlen worden und wurde in der folgenden Nacht zur Mordwaffe an dem sogenannten Freund. Warum? War dieser zweite Mord geplant gewesen? Oder war es spontan passiert und das Schwert einfach nur gerade zur Hand gewesen? Welchen Grund hatten Thies oder Roden, Wolfgang zu töten?
Hans hatte heute Morgen gesagt, dass Wolfgang eine Verabredung mit einer Frau gehabt hatte. Er hatte auch genau gewusst, wer es gewesen war, hatte aber ihren Namen nicht genannt. Wer war die Frau? War Wolfgang auf dem Nachhauseweg abgefangen worden? Oder hatte die Braut ihre Finger im Spiel und hatte ihn in eine Falle gelockt? Darüber konnte nur Hans Hecken Auskunft geben. Aber Nikolaus glaubte nicht, dass der Kerl noch einmal in Ruhe mit ihm reden würde.
Welche Verdächtigen gab es noch? Der Bauer Dunkel aus Niedermanderscheid, der Rache für seine geschändete Tochter wollte. Aber warum hätte er auch Wolfgang den Garaus
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