Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
auf seine Seite zu ziehen. Das war der Einzige, der wenigstens noch ein bisschen Interesse haben könnte, den wahren Mörder zu finden.
Also schlich sich Nikolaus in Sichtweite des Weges nach Buchholz durch den Wald, jederzeit bereit, sich ins Laub zu werfen, falls sich irgendwo ein Mensch zeigen sollte. Als er die Felder erreicht hatte, wandte er sich nach rechts. Im Schatten der Bäume verborgen bewegte er sich auf die Straße zu, die durch die Schlucht zur Niederburg hinunterführte. Er wartete eine ganze Zeit, bis er sich sicher war, dass niemand kam, und überquerte dann schnell den Fahrweg. Er schlug sich abseits des Weges durch den Wald, kämpfte sich durch Büsche und Gestrüpp, immer in der Gefahr, im feuchten Laub auszurutschen und ins Tal zu schlittern. So umrundete er die Burgen und Niedermanderscheid. Dann stieg er ins Tal hinab und erreichte schließlich die Mühle.
Erschöpft stand er vor dem Haus und überlegte verzweifelt, was er dem Müller sagen konnte, damit der ihm zuhörte und ihn nicht gleich wieder fortjagte. In Gedanken ging er alle Möglichkeiten durch, um sie gleich wieder zu verwerfen.
Also atmete Nikolaus tief durch und klopfte an die Tür. Aber es rührte sich nichts. Vorsichtig trat er ein und rief nach dem Müller. Außer dem Knirschen der großen Mahlräder war nichts zu hören. Er lugte um die Ecken, um nicht wieder eine unliebsame Begegnung zu haben. Doch in der Mühle war niemand. So beschloss er einfach, hier auf den Müller zu warten.
In der Mühle
Und hier war er nun. Inzwischen war es Abend, und noch immer fehlte von Reginus jede Spur.
Nikolaus nahm erneut die Listen, die er unter Christinas Sachen gefunden hatte, zur Hand und sah sie sich an. Es war ganz genau vermerkt, wer wann wie viele Säcke hatte mahlen lassen. Daneben stand jeweils, wie viel als Lohn gezahlt worden war.
Der Bauer Roden hatte sehr viel Getreide mahlen lassen, sein Hof musste wirklich über viel Ackerfläche verfügen. Es war gut möglich, dass er zu wenig Abgaben zahlte, gemessen an dem, was er laut dieser Listen mahlen ließ. Je nachdem wie hoch die Differenz ausfiel, war unter Umständen mit einer erheblichen Nachzahlung zu rechnen – einmal abgesehen von möglichen Strafen.
Nikolaus rechnete kurz durch, wie hoch das Entgelt für das Mahlen eines normalen Sacks Getreide bei einem beliebigen Kunden war. Er nahm sich ein Dutzend Aufträge des vergangenen Jahres vor und kam bei allen zum gleichen Ergebnis. Nun verglich er das mit den Werten bei Roden. Der Großbauer zahlte immer einige Heller 15 mehr.
Nikolaus war nicht bekannt, wie die Steuern auf Luxemburger Seite erhoben wurden. In Trier gab es die Simpelsteuer – eine Art Ertragssteuer. Je nach Qualität und Beschaffenheit wurden die bestellten Äcker und Wiesen in gewisse Klassen eingeteilt. Der so ermittelte Ertrag wurde in einen entsprechenden Geldwert umgerechnet. Zum Beispiel mussten für einen Malter 16 Roggen einhundert Albus 17 gezahlt werden. Dies bezeichnete man als einfachen Anschlag oder Simpel. Und je nach den Erfordernissen des Kurfürsten wurde ein drei- oder vierfacher Simpel erhoben.
Wenn Roden den Ertrag schlechter klassifizieren ließ und so jeden zwanzigsten Sack Getreide nicht angab, sparte er schon einige hundert Heller an Steuern. Was waren da die paar Münzen mehr beim Mahlen, damit Reginus ihn nicht verriet. Es war kein Wunder, dass der Bauer den Müller bestechen wollte und, als das nicht so recht funktionierte, die Listen einfach zu stehlen versuchte.
Die Listen begannen im Frühjahr 1408. Zu der Zeit mussten der Müller und Katharina geheiratet haben. Ab 1418 wurden auch Einträge in einer anderen Schrift vorgenommen; das musste dann Christina sein, die ihre Mutter unterstützte. Bis Ende 1420 fanden sich Einträge in den beiden Handschriften, doch ab Januar 1421 verlor Katharinas Schrift ihren Schwung, wurde immer zittriger. Und dann gab es nur noch Christinas Einträge. Die Mutter verstarb also vermutlich Anfang 1421. Genau wie Pater Ruprecht es erzählt hatte.
Nikolaus schob die Listen zur Seite. Katharina hatte ihre Tochter gut unterrichtet. Wo hatte die Mutter dies gelernt? War sie Nonne gewesen? Die strenge Erziehung im Kloster beinhaltete natürlich auch Rechnen, Lesen und Schreiben. Solch ein Wissen musste für die ungebildeten Leute hier ungewohnt gewesen sein, es hatte ihnen Angst gemacht. Deshalb wunderte es nicht, dass Katharina gemieden und gehasst worden war.
Hier im Schatten der Burgen gab es zu
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