Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
fand es bemerkenswert, dass die Männer sofort Haltung annahmen und gehorchten. Ein Blitz schien in sie zu fahren, und schon wenige Momente später war die Höhle leer.
    Estrada wandte sich wieder an Salzleck und mich. »Es tut mir leid, aber ihr könnt euch noch nicht ausruhen. Was ich den Männern gesagt habe, entspricht der Wahrheit: Diese Zuflucht ist so gut wie verloren. Ich habe einen Vorschlag für euch beide, aber ich glaube, zuerst solltet ihr die Worte hören, die ich an die anderen richten werde.«
    »Nach meinen bisherigen Erfahrungen mit dir zu urteilen, lautet die Antwort vermutlich nein«, erwiderte ich.
    »Vielleicht. Diesmal kann ich dich nicht zwingen. Ich bitte dich nur darum, mich zuerst anzuhören.«
    »Nun ja, mir ist ein wenig schwindelig vom Blutverlust und weil ich halb verhungert bin, aber ich werde mir alle Mühe geben.«
    Ich glaubte zu sehen, wie ein Lächeln über Estradas Lippen huschte, aber ganz sicher war ich mir nicht. »Die Kisten dort enthalten Nahrungsmittel. Wir können nicht alles mitnehmen, und deshalb: Bedient euch.« Sie deutete auf einen der Höhlenausgänge. »Folgt uns in zehn Minuten durch diesen Ausgang und hört euch an, was ich zu sagen habe.«
    Der Gedanke an Essen beherrschte mich so sehr, dass ich vergaß, sarkastisch zu sein. Es gab Nahrung, in sagenhaften Mengen: Brot, Käse, Obst, Gemüse, Ziegen- und Hammelfleisch, sogar einige Hühner, die in einem Käfig dösten. Hinzu kamen Fässer mit Wasser und Wein und einige Flaschen mit scharf riechender Flüssigkeit.
    Estrada hatte recht, es konnte nicht alles in Sicherheit gebracht werden. Offenbar waren die Vorräte in aller Eile hierher gebracht worden, ohne große Planung. Die meisten frischen Lebensmittel würden keinen weiteren Tag halten. Ich entschied mich für halbwegs frisches Brot, würzigen Käse, gut erhalten in seiner Wachshülle, und einige Streifen getrocknetes Fleisch. In letzter Zeit schienen meine Mahlzeiten hauptsächlich aus so elementaren Dingen zu bestehen, und unter den gegebenen Umständen erschien es mir sinnlos, daran etwas ändern zu wollen. Neben einem der Wasserfässer stand ein hölzerner Becher. Ich füllte ihn mit Wein, und dann noch einmal, spülte das Essen hinunter, bis mir erneut schwindelig wurde, diesmal aus einem anderen Grund.
    Essen und Trinken hatten nicht mehr als zwei Minuten gedauert. Ein ausgehungerter Hund frisst vermutlich mit mehr Eleganz, als ich bei dieser Mahlzeit gezeigt hatte.
    Als meinen unmittelbaren körperlichen Bedürfnissen Genüge getan war, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf Salzleck. Er hatte sich nicht von der Stelle gerührt, seit Estrada gegangen war. »Hör auf, Trübsal zu blasen! Du hast ein paar Leute erledigt, die versucht haben, dich zu erledigen, das ist alles. Du wirst darüber hinwegkommen. Wir können losziehen und deine Familie retten, und dann wird alles gut.«
    Salzleck hob den Kopf. »Retten?«
    »Warum nicht? Aber du musst bei Kräften bleiben. In der Ecke dort drüben liegt trockenes Gras, also hau rein.«
    Salzleck nickte nachdrücklich und beherzigte meinen Rat. Seine Schritte wirkten fast kraftvoll, als er die Höhle durchquerte, und ich fragte mich nach dem Grund für seinen so schnellen Stimmungswechsel. Wie auch immer die Antwort lauten mochte, es freute mich, ihn mit solchem Appetit essen zu sehen. Er hatte so viel Blut verloren, dass ein Ochse an seiner Stelle gestorben wäre, und er blutete noch immer aus den tieferen und längeren Schnitten. Wenn er erschöpft umkippte, half er niemandem. Wenn unsere Schicksale miteinander verbunden waren – und das schien immer mehr der Fall zu sein –, dann wollte ich, dass er so gesund und kräftig wie möglich war.
    Während er sich mit Gras vollstopfte, machte ich mich auf die Suche nach neuer Kleidung. Ich legte das alte genietete Leder ab, das bereits zu scheuern begonnen hatte, und streifte ein schlichtes Hanfhemd über, das ich in einem Sack mit Kleidung entdeckte. Nach kurzem Überlegen trennte ich mich auch von dem Mantel und wählte einen dickeren grauen. Anschließend steckte ich so viel Proviant ein, wie ich in den Taschen unterbringen konnte, darunter auch einen Weinschlauch, den ich mir über die Schulter schlang. Estrada hatte kein Limit genannt; also bediente ich mich ohne falsche Zurückhaltung.
    Die ganze Zeit über kamen immer wieder Leute von Estradas bunt zusammengewürfelter Truppe aus den Tunnelöffnungen, gingen an uns vorbei und verschwanden in die Richtung,

Weitere Kostenlose Bücher