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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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bereit, ihn an Bord zu lassen, doch er bestand darauf, dass der Riese im Heck saß, mit dem Rücken zu uns. Diese Vorsichtsmaßnahme erschien mir seltsam, aber Salzleck hatte nichts dagegen, und bald waren wir unterwegs.
    Kapitän Anterios Schiff stank schlimmer als es aussah. Missmutig und unaufgefordert erklärte er, dass er eine Ladung Rüben zur Stadt brachte.
    »Warum riechen sie so schlimm?«, fragte ich. Meine Stimme klang gedämpft, weil ich beim Sprechen versuchte, mir die Nase zuzuhalten.
    »Weil sie verfault sind«, antwortete Anterio und sah mich erstaunt an. »Ist doch ganz klar.«
    So übel riechend und marode der Kahn auch sein mochte, eine steife Brise aus dem Süden machte ihn recht schnell auf dem Fluss. Insgeheim verfluchte ich Wind und Schiff. Ich brauchte Zeit, um meine Flucht zu planen, und die Zeit wurde immer knapper. Schon bald würden wir erste Zeichen der Zivilisation sehen, vereinzelte Bauernhöfe und Rauch von Dörfern weiter landeinwärts. Wenn ich Einfluss auf meine Zukunft nehmen wollte, musste ich schnell handeln.
    Estrada saß zusammen mit Anterio im Bug, und einigen Gesprächsfetzen entnahm ich, dass sie sich vom Kapitän auf den neuesten Stand der Dinge bringen ließ. Vielleicht versuchte sie herauszufinden, was man sich über Moaradrid und den Widerstand erzählte. Erst nach einer Stunde stand sie auf, ging zum Heck und nahm neben Salzleck Platz. Inzwischen kamen wir an Weiden und Kornfeldern vorbei, und ich bemerkte erste Bauernhäuser und Scheunen. Kein Zweifel, wir näherten uns Altapasaeda.
    Ich wartete einige Minuten, schlenderte dann zum Bug und setzte mich neben den Kapitän. Es gelang mir nicht, sein Alter zu schätzen. Zahlreiche Falten durchzogen sein sonnengebräuntes Gesicht – er konnte vierzig oder auch sechzig sein. Der abgetragene Mantel stammte von Altapasaedas Stadtwache, und ich fragte mich, was Anterio veranlasste, ihn auf diesem schmutzigen Kahn zu tragen.
    Zuerst bemerkte er mich nicht. Er konzentrierte sich darauf, seinen Bart mit einer kleinen Schere zu schneiden. Ganz offensichtlich nahm er die Sache sehr ernst, obwohl es ihm an Geschick mangelte. Aus der Nähe konnte man deutlich erkennen, wie ungleichmäßig der Bart geschnitten war. Als er schließlich den Kopf drehte und mich ansah, sagte ich: »Ich habe einen Vorschlag, Käpt’n.«
    Anterio verstaute die Schere in einem Lederbeutel, den er dann unter seinem Mantel verschwinden ließ. »Ein guter Kapitän nimmt Vorschläge immer gern entgegen. An manchen Tagen kommt er nur mit guten Vorschlägen über die Runden.«
    »Stimmt haargenau. In diesem Fall«, ich streckte die Hand aus, die fünf der mir verbliebenen Onyx-Münzen hielt,» könnte der Vorschlag für uns beide profitabel sein.«
    Anterio blinzelte. »Ich will doch stark hoffen, dass die junge Dame dort drüben nicht zu Schaden kommen soll, oder?«
    »Ganz und gar nicht.«
    »Es wäre vielleicht besser für alle, wenn du das Ungeheuer da hinten ertränken würdest«, fügte er vehement hinzu.
    »Niemand muss ertränkt werden. Ich bitte dich nur um dies: Setz meine Reisegefährten wie geplant bei Altapasaeda ab. Anschließend fahren wir weiter flussaufwärts, bis wir ein anderes Boot für mich finden, eins, das sich von der Stadt entfernt. Das ist alles. Fünf Onyxe für eine Stunde Arbeit.«
    »Ist das wirklich alles?«
    »Ja.«
    Kapitän Anterio reichte mir eine schmutzige Hand. »Dann akzeptiere ich deinen Vorschlag.«
    Der Geruch von fauligem Gemüse hatte etwas Beharrliches, das sich schwer ignorieren ließ. Nachdem ich eine Zeit lang damit gerungen hatte, beschloss ich, mich damit abzufinden. Ich streckte mich auf einem schmalen Streifen des Decks aus, der von verfaulenden Rüben frei war, und erwog die Möglichkeit, ein Nickerchen zu machen.
    Nach unserem kurzen Gespräch hatte Kapitän Anterio seine Aufmerksamkeit einigen kleinen Arbeiten an Bord gewidmet, wobei ihm die beiden Jungen zur Hand gingen – sie sahen ihm ähnlich genug, um seine Söhne sein zu können. Estrada und Salzleck saßen noch immer zusammen und sprachen gelegentlich miteinander. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, worüber sie redeten.
    Nachdenklich beobachtete ich die vorbeigleitenden Ufer und fragte mich, ob mein Plan funktionieren konnte. Anterio war zweifellos ein Mann, der ein paar zusätzliche Münzen gut gebrauchen konnte, und eine kleine Verlängerung der Reise würde seine Fracht nicht noch mehr verderben. Wenn ich ein Boot fand, das nach Norden

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