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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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unterwegs war, konnte ich es vielleicht bis nach Aspira Nero schaffen. Selbst wenn Moaradrid noch immer nach mir suchte – es würde ihm schwerfallen, mich einzuholen. Und wahrscheinlich würde es gar nicht dazu kommen, denn Estrada musste sich als Besitzerin des Steins zu erkennen geben, wenn ihr Plan nicht in die Binsen gehen sollte.
    Im Großen und Ganzen sah eigentlich alles recht vielversprechend aus. Ich stellte fest, dass ich mich sogar auf Altapasaeda freute. Je eher ich dort eintraf, desto eher konnte ich die Stadt wieder verlassen. Aufregung und Gestank hielten den Schlaf von mir fern, und ich begnügte mich damit, in die Ferne zu starren und nach den ersten Anzeichen der Stadt Ausschau zu halten.
    Schließlich sah ich die Brücke, die längste und prächtigste im ganzen Castoval. Ihre Bögen waren so hoch, dass selbst Schiffe mit besonders hohen Masten darunter hindurchfahren konnten. Man nannte sie »Säbel«, vermutlich wegen der Form und weil sie den Casto Mara zerschnitt. In der Ferne zeigte sich die Brücke als eine vage dunkle Linie über dem Wasser, und die Mauern davor bildeten nur undeutliche Flecken.
    Das Gelände in dieser Region war flach. Man konnte den weiten Wald hinter uns sehen, und sogar die Berge, als violette Begrenzung des Blickfelds. Unsere Reise führte noch immer an Ackerland vorbei, doch die Plantagen wirkten jetzt üppiger und dienten dem Anbau von Früchten, die vor allem für die wohlhabenderen Bürger der Stadt bestimmt waren. Ich beobachtete Weinstöcke, Bienenhäuser, Olivenbäume und Bereiche, die allein der Versorgung des Tempelviertels mit Blumen, Weihrauch, Vögeln, Stoffen und Statuen dienten. Ein Durcheinander aus Farben bot sich dort meinem Blick dar, und der Wind trug uns berauschende Düfte entgegen. Auf der Straße am westlichen Ufer herrschte dichter Verkehr, und wir kamen an mehr Booten vorbei als am vergangenen Tag.
    Kurze Zeit später erreichten wir die Vororte von Altapasaeda – eine höfliche Bezeichnung für nicht ganz so arme Armensiedlungen, die sich wie ein zweiter Schatten entlang der nördlichen Mauern erstreckten. Ich konnte nicht anders, als nach Hinweisen auf Moaradrids Heer zu suchen, aber aus der Ferne ließ sich nicht feststellen, ob es am Rand der Stadt mehr Zelte gab als sonst.
    Ich konzentrierte meine Aufmerksamkeit auf die Stadt selbst. Altapasaeda war einzigartig im Castoval, ein Vorstoß der nördlichen Zivilisation in unser einfacheres und weitaus ruhigeres Leben. Verglichen mit den anderen Städten des Castoval war Altapasaeda wie eine wundervolle, aber allmählich in die Jahre kommende Hure, deren Schönheit zwar atemberaubend sein mochte, aber zum größten Teil nur Fassade. Hinter den Mauern ragten hohe Türme auf, die einfach nur imposant sein sollten, und praktisch alle Häuser wiesen irgendwelche architektonischen Besonderheiten auf. Es war schwer, von Altapasaeda nicht beeindruckt zu sein, und noch schwerer, die Stadt ernst zu nehmen.
    Erst als wir den rechten Bogen des Säbels passierten, kamen die Hafenanlagen in Sicht. Ich blinzelte in der plötzlichen Dunkelheit. Zunächst sah ich nur Schemen, die Konturen von Rechtecken und Dreiecken, die im Sonnenschein jenseits der Brücke glänzten. Als wir ins Licht zurückkehrten und die graue Decke der Brücke hinter uns blieb, ließen sich Einzelheiten erkennen. Der Hafen von Altapasaeda unterschied sich sehr von Casta Cantos Anlegestellen. Hier bestand alles aus Stein und bildete zwei lange Reihen mit Treppen und Rampen. Die Poller bestanden aus Metall, und es gab sogar zwei Kräne, dazu bestimmt, die größeren Schiffe zu entladen.
    Überall herrschte so rege Betriebsamkeit, auf dem Wasser wie an Land, dass wir zehn Minuten nach einem geeigneten Anlegeplatz suchen mussten. Der Kapitän und seine beiden Jungen riefen die ganze Zeit über unverständliche Worte, die den Besatzungen anderer Kähne und Hafenarbeitern galten. Ich wurde ungeduldig und auch ein bisschen nervös. Wächter patrouillierten am Kai, und vielleicht erkannte mich einer von ihnen. War all dieses Geschrei, das nur unnötige Aufmerksamkeit erregte, für einen kurzen Aufenthalt wirklich nötig?
    Unser dreckiger, stinkender Kahn glitt in eine Lücke zwischen zwei ähnlich mitgenommen wirkenden Kähnen, was nicht ganz einfach war und offenbar noch mehr Geschrei erforderte. Ich beobachtete Anterio, als er einem jungen Burschen am Kai ein Seil zuwarf. Kurz darauf waren wir vertäut, und der Kapitän ließ den

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