Im Schatten der Giganten: Roman
Landungssteg herab.
»Da sind wir!«, rief er. »Altapasaeda, prächtige Dame des Südens.«
Jetzt würde er Estrada und Salzleck von Bord gehen lassen, um anschließend den Landungssteg zurückzuziehen und wieder abzulegen. Wir würden weg sein, bevor Bürgermeisterin und Riese begriffen, was geschah. Aber Anterio stand einfach nur da, mit den Händen an den Hüften. Als die beiden Jungen an Land flitzten, unternahm er nichts, um sie daran zu hindern.
Ich wurde argwöhnisch, schob mich an ihn heran und flüsterte: »Was hat das zu bedeuten? Was ist mit unserer Vereinbarung?«
Anterio sah mich voller Abscheu an. »Was für ein Mann würde versuchen, seine schwangere Frau und ihren armen, missgestalteten Bruder zu verlassen? Die Dame hat mich darauf hingewiesen, dass du etwas in dieser Art versuchen würdest.« Er drückte mir vier Münzen in die Hand und fügte hinzu: »Eine behalte ich, damit es dir eine Lehre ist.« Er gab mir einen Stoß in Richtung Laufsteg.
Ich taumelte an Land, und als ich mich umdrehte, kam Salzleck über den Steg und versperrte mir den Weg zurück.
Ich saß in Altapasaeda fest und konnte nichts daran ändern.
14
W ir befanden uns erst seit drei Minuten in Altapasaeda, als die Probleme begannen.
Kapitän Anterio hatte sich respektvoll von Estrada verabschiedet sowie Salzleck und mir einen finsteren Blick zugeworfen, bevor er sich zwei Hafenarbeitern zuwandte. Ich überlegte, ob ich versuchen sollte, einfach wegzulaufen.
Es wäre sicher nicht weiter schwer gewesen, unter all den Schiffen an den Anlegestellen eins zu finden, das mich als zahlenden Passagier an Bord nahm. Vor Estrada keinen Hehl aus meiner Flucht zu machen, zeigte allerdings einen Mangel an Finesse, und ich konnte wohl kaum hoffen, Salzleck zu Fuß zu entkommen, sollte er entscheiden, mich zu verfolgen. Woraus sich jede Menge Unruhe ergeben hätte, was wiederum der Aufmerksamkeit der Wächter nicht entgangen wäre.
Gerade als ich zu diesem Schluss gelangte, fand uns die Aufmerksamkeit trotzdem. Zwei Wächter – in den Grau- und Brauntönen des Hafens fielen sie mit ihren langen scharlachroten Mänteln und Dreispitzen sofort auf – inspizierten weiter oben einen Kistenstapel, und einer von ihnen deutete zum gegenüberliegenden Ufer. Als er dorthin sah, ging sein Blick über uns hinweg, und er stieß den anderen Wächter mit dem Ellenbogen an. Sie starrten beide in unsere Richtung, erst auf Salzleck und dann auf mich. Ich beobachtete, wie sich die Lippen des ersten Wächters bewegten – vermutlich nannte er meinen Namen.
»Estrada«, murmelte ich.
»Was ist?«
Ich versuchte, ihr mit einer knappen Kopfbewegung zu zeigen, was ich meinte. »Wir kriegen Gesellschaft.«
»Oh.«
Die beiden Wächter kamen jetzt die Treppe herunter und hielten dabei den Blick auf uns gerichtet. Es konnte nicht der geringste Zweifel daran bestehen, dass sie zu uns wollten.
»Wir könnten laufen.«
»Und dann?«
»Wir könnten in den Fluss springen.«
»Damasco …«
Ich verfluchte sie wortlos dafür, meinen Namen laut genug genannt zu haben, dass der nächste Wächter ihn hören konnte. Der Mann lief die letzten Meter und blieb vor uns stehen. »Aha … Easie Damasco.«
Über seine Schulter hinweg sah ich, wie der zweite Wächter Verstärkung heranwinkte und dabei misstrauisch Salzleck beobachtete. Beide Männer hielten ihre Hände in unmittelbarer Nähe des Schwertgriffs.
»Ihr irrt euch. Ich bin sein Bruder Santo. Die Leute sagen, dass wir uns ähneln, aber ich fürchte, Easie sieht besser aus als ich.«
Estrada verzog das Gesicht und gab mir damit besser als mit Worten zu verstehen, dass ich die Klappe halten sollte. »Ich bin Marina Estrada, amtierende Bürgermeisterin von Muena Palaiya. Diese Herren sind meine Reisegefährten, und wir möchten zu Prinz Panchetto.«
Estrada versuchte, Autorität in ihre Stimme zu legen, was sicher besser funktioniert hätte, wenn sie nicht so schmutzig gewesen wäre und nach faulen Rüben gerochen hätte. Eine kleine Gruppe von Wächtern versammelte sich um uns herum, und niemand von ihnen wirkte sehr überzeugt. Der erste Wächter teilte den anderen mit: »Das ist Easie Damasco.«
»Das stimmt«, sagte Estrada, und es gelang ihr, ein wenig verärgert zu klingen. »Bestimmt lassen sich alle Fragen klären, wenn wir mit Prinz Panchetto reden können.«
»Sie möchte zum Prinzen«, fuhr der Wächter fort, als hätten die anderen nicht alles gehört. Vielleicht war er ein geborener Idiot,
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