Im Schatten der Giganten: Roman
geräuschlos auf. Ich merkte, dass ich den Atem anhielt und meine Knie plötzlich weich geworden waren.
Doch hinter dem Eingang erwartete uns nur ein kleines Büro. Der Türwächter – ein älterer Mann, der einen Zwicker und eine gewöhnliche Uniform trug – trat hinter einen abgenutzten Schreibtisch. Fünf Minuten verbrachte er damit, unseren Besitz in Listen einzutragen sowie unsere Namen zu notieren und ihnen eine kurze Beschreibung hinzuzufügen. Salzleck schien das Katalogisierungssystem dieses Mannes zu überfordern, denn er verbrachte viel Zeit damit, verärgert zu brummen und nachdenklich am Ende seines Federkiels zu kauen. Er schien zu glauben, dass man den Riesen nur zu ihm gebracht hatte, um ihn zu verwirren.
Ich war fast erleichtert, als uns die Wächter schließlich durch einen Torbogen und dann eine Treppe hinunter in die unheilvollen Tiefen des Gebäudes brachten. Draußen war es noch nicht ganz Mittag, aber das Tageslicht blieb schnell hinter uns zurück, und wir verdankten es nur einigen wenigen Fackeln, dass es in dieser Unterwelt nicht völlig finster war. Soweit ich das feststellen konnte, bestand diese Welt aus Fluren, die im rechten Winkel zueinander verliefen und quasi ein Gitter formten, von dem die einzelnen Zellen abgingen. Es roch nach Rauch, aber leider gelang es diesem Geruch nicht, die anderen Gerüche zu überlagern, die von Menschen und ihrem Leid stammten.
Unsere Gruppe wurde von zwei Wärtern in Empfang genommen, deren Uniformen nicht scharlachrot waren wie die der Wächter, sondern schwarz. Es folgte ein mit leisen Stimmen geführtes Gespräch, bei dem ich unsere Namen hörte und den des Prinzen, gefolgt von Gelächter. Dann schlossen sich die Wärter unserer Prozession an; es ging durch einen weiteren düsteren Flur, und schließlich erreichten wir eine der äußeren Zellen.
»Hinein mit euch«, sagte der erste Wächter. Dass Salzleck nicht einmal aufgemuckt hatte, machte ihn ganz offensichtlich nervös; er schien eine Falle zu befürchten.
Salzleck versuchte, sich durch die schmale Zellentür zu schieben, aber die ersten Versuche schlugen fehl. Einige Sekunden lang wand er sich hin und her, und schließlich schaffte er es doch noch, sich seitlich durch die Tür zu quetschen. Während seiner Bemühungen kroch immer mehr Panik in die Gesichter der Wächter, und ich musste mich sehr beherrschen, um nicht zu lachen.
»Gut, und jetzt ihr beide. Macht bloß keinen Ärger.«
»Ich versuche nie, Ärger zu machen. Der Ärger geschieht immer um mich herum«, sagte ich und betrat die Zelle.
Ich sah zurück, als Estrada mir nicht folgte. Sie leistete nicht in dem Sinne Widerstand, aber in ihrer Haltung gab es etwas, das mir inzwischen vertraut war. Dieses Etwas sagte mir, dass der schlechte Tag der Wächter noch schlechter zu werden drohte.
Der erste Wächter schien nach geeigneten Worten zu suchen. »Ihr ebenfalls, gnä’ Frau.«
»Ihr wollt dem Prinzen nicht mitteilen, dass ich hier bin, oder?«
Er dachte darüber nach. »Nein, ich glaube nicht.«
»Darf ich nach dem Grund dafür fragen?«
»Weil der Mann dort Easie Damasco ist, ein bekannter und gesuchter Verbrecher, und weil Euer zweiter Begleiter eine Art Ungeheuer ist. Das lässt mich vermuten, dass Ihr nicht unbedingt die Art von Person seid, die der Prinz gern empfangen würde.« Er bemerkte Estradas Gesichtsausdruck und fügte rasch hinzu: »Außerdem bin ich nur ein Feldwebel und bezweifle, dass Seine Hoheit mich anhören würde.«
»Ich weiß Eure Ehrlichkeit zu schätzen.«
Das erleichterte den jungen Wächter offenbar. »Wenn Ihr also bitte in die Zelle gehen würdet …«
»Nur noch eine Sache, Feldwebel.«
Er verzog das Gesicht.
»Was ist, wenn Ihr Euch irrt?«
»Wie bitte?«
»Ich meine, was wäre, wenn ich wirklich die bin, die ich zu sein behaupte, die Bürgermeisterin einer Stadt, mit der sich Prinz Panchetto verbündet hat? Und was wäre, wenn er erfährt, dass Ihr mich in eine Gefängniszelle gesteckt habt, ohne dass ich gegen irgendein Gesetz verstoßen habe?« Ich spürte, dass ihr dies zu gefallen begann. »Was würde dann wohl passieren?«
Der Feldwebel schluckte, öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Schließlich zuckte er mit den Schultern, eine Bewegung, die den ganzen Körper zu erfassen schien. »Ich weiß es nicht, gnä’ Frau. Aber wenn Ihr so gütig seid und ein bisschen in diesem Raum wartet … Ich informiere den Hauptmann der Wache über diese Angelegenheit, und dann kann
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