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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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stehen scheint, Damasco. Du musst nur noch etwas länger Vertrauen zu mir haben.«
    In ihrer Stimme gab es einen klagenden Ton, der mir auf die Nerven ging. »Ich habe dir nie vertraut, Estrada. Du warst nur die beste von vielen schlechten Möglichkeiten. Und jetzt bist du nicht einmal mehr das.«
    Sie stand so plötzlich auf, als hätte das Bett unter ihr Feuer gefangen. »Du … Na schön. Was ich dir sagen wollte … Du wirst heute Abend an dem Bankett teilnehmen und dich benehmen. Andernfalls ziehe ich meinen Schutz schneller zurück, als du blinzeln kannst. Sollen sich Panchetto und Moaradrid anschließend um deine Leiche streiten, was kümmert es mich.«
    Ich war so verblüfft, dass Estrada bereits mein Zimmer verlassen hatte, bevor mir eine Antwort einfiel.
    Eine Zeit lang war ich vor Zorn wie taub, und hinzu kam wachsende Furcht. Ich lag zwischen weichen Kissen und glänzenden Decken, starrte an die Wand und versuchte, meine Gedanken und Gefühle zu sortieren. Vor allem fühlte ich mich verraten. Moaradrid hatte uns eingeholt, und in diesem kritischen Moment wandte sich Estrada von mir ab.
    Ich war auf mich allein gestellt.
    Der geistige Wirbelwind ließ allmählich nach und hinterließ einige verstreute Gewissheiten. Estrada hatte uns in eine Falle geführt und war zu stolz oder zu dumm, ihren Fehler einzugestehen. Ich hatte versucht, sie zu warnen, und sie hatte damit gedroht, mir ihren Schutz zu entziehen, und das nach all dem, was ich für sie und ihre absurde Sache getan hatte. So sah es aus.
    So war es immer gewesen.
    Ich bemühte mich, die positiven Aspekte zu sehen. Vielleicht lebte ich noch einen weiteren Tag, mit ein wenig Glück. Der Prinz hatte Moaradrid seinen »großen Freund« genannt, und ich vermutete, dass es sich dabei um kaum mehr als eine höfliche Bezeichnung handelte. Nachdem ich sie zusammen gesehen hatte, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es irgendwo im Castoval zwei Männer gab, die sich weniger dazu eigneten, Freunde zu sein. Andererseits hatte Panchetto mehr mit dem Kriegsherrn als mit Salzleck und mir gemeinsam. Nördliches Blut verband sie – das hatte der Prinz mit der Bezeichnung »Bruder« vermutlich gemeint –, und beide waren Herrscher, in gewisser Weise. Das mochte den Ausschlag geben. Und wenn nicht, wenn er uns nicht in Ketten legen ließ und unserem Feind als Abschiedsgeschenk übergab … Dann war es durchaus denkbar, dass Moaradrid versuchen würde, die Stadt zu stürmen.
    Ich musste aus Altapasaeda verschwinden. Ich brauchte Geld, damit ich untertauchen und sicherstellen konnte, dass mich niemand finden würde, weder Moaradrid noch Estrada oder sonst jemand. Außerdem brauchte ich Hilfe, zumindest solange ich mich in der Stadt befand. Und ich musste schnell sein, das war der wichtigste Punkt.
    Ein Plan formte sich in meinem Hinterkopf, wie ein Jucken, bei dem ich mich nicht zu kratzten wagte. Ich blieb im Bett liegen und wartete darauf, dass er reifte.
    Nach einer Stunde war ich einigermaßen sicher, was unternommen werden musste. Zugegeben, die Verzögerung hatte viel mit dem Paradies des Bettes zu tun. Während ein kleiner Teil meines Gehirns plante, schlief der Rest. Gelegentlich holten mich Geräusche aus dem Halbschlaf – recht laute Stimmen, einmal ein nicht weit entferntes Krachen –, aber es gelang mir, ihnen keine Beachtung zu schenken. Doch der Drang, das Zimmer zu verlassen, wurde immer größer, während mein Plan Gestalt gewann, und schließlich zwang er mich erbarmungslos auf die Beine.
    Bevor ich mich auf den Weg machte, sah ich mir das Zimmer genauer an. Nach den Maßstäben des Palastes galt es wahrscheinlich als schlicht und einigermaßen gemütlich, mit einer Einrichtung, die sich auf das Bett und ein mit Wasser gefülltes marmornes Waschbecken beschränkte, aber für mich war dies purer Luxus. Hinter dem Vorhang neben der Tür befand sich eine Nische mit sauberer Kleidung: eine graue Hose und ein hellgrünes Hemd mit einer Doppelreihe Pailletten auf der Brust, im eher strengen Stil des Nordens geschnitten. Ich beschloss, beides zu klauen, und dann fiel mir ein, dass Hemd und Hose vermutlich ohnehin für mich bestimmt waren.
    Ich hatte mich halb umgezogen, als ich daran dachte, dass ich mich vielleicht vorher waschen sollte. Erst dabei stellte ich fest, wie enorm schmutzig ich war. Dreck klebte an jedem Quadratzentimeter meines Körpers, und das Haar glich einem Vogelnest.
    Ohne all den Schmutz schien ich plötzlich eine neue Haut zu

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