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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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seine Wunden frisch verbunden worden. So fröhlich und zufrieden wie jetzt hatte ich Salzleck nie zuvor gesehen, und ich fühlte mich ein wenig schuldig für das, was ich vorhatte.
    Ich schob den Gedanken beiseite. Es war Estrada, die uns in diese Situation gebracht hatte, und was auch immer ich unternahm, ich konnte es kaum schlimmer machen.
    »Was hältst du davon, wenn wir ein bisschen einkaufen gehen, Salzleck?«, fragte ich.
    Es war später Nachmittag, als wir loszogen, und wahrscheinlich blieben die Läden nur noch zwei Stunden offen. Gerade Zeit genug für das, was mir vorschwebte. Ich ging voraus, und Salzleck folgte mir wie ein monströses Hündchen. Zwar war ich schon seit einer ganzen Weile nicht mehr in Altapasaeda gewesen, aber ich kannte mich noch immer gut in der Stadt aus. Klar abgegrenzte Bereiche und viele Wahrzeichen erleichterten die Orientierung.
    Ohne Wächter, deren Präsenz Gaffer zu Zurückhaltung mahnte, erregten wir mehr Aufmerksamkeit. Die meisten Leute, an denen wir vorbeikamen, waren wohlhabende Nordländer – viele von ihnen kamen nach Altapasaeda, weil sie wussten, dass ihr Geld hier mehr wert war als in ihrer Heimat. Die Einheimischen begegneten ihren seltsamen Bräuchen und noch seltsameren Gottheiten mit amüsierter Toleranz. Die Einwanderer galten größtenteils als harmlos und hatten oft mehr Geld als Verstand, weshalb man sie willkommen hieß.
    Doch ich vermutete, dass nicht alle Leute um uns herum harmlose Einkäufer waren. Bestimmt verfolgte man uns.
    »Ich habe nachgedacht, Salzleck«, sagte ich laut. »So wie du jetzt aussiehst, kannst du nicht an dem Bankett teilnehmen. Du brauchst neue Kleidung, wenn wir vermeiden möchten, dass eine der erlauchten Damen aus lauter Verlegenheit stirbt.«
    Salzleck sah mich besorgt an und nickte.
    Ich wählte ein Bekleidungsgeschäft mit besonders breitem Eingang. Es war dennoch nicht leicht, Salzleck hineinzumanövrieren, und der Inhaber schien über unseren Besuch nicht besonders erfreut zu sein. Ich hielt ihm meinen Ring vors Gesicht und rief: »Wir sind Gäste des Prinzen!«
    Sofort verschwand sein Missmut. Er trat vor und verbeugte sich.
    »Wir müssen meinem Begleiter hier ein zivilisierteres Erscheinungsbild geben«, sagte ich. »Glaubst du, dabei helfen zu können?«
    Es folgte langes Gefeilsche um das Geld des Prinzen. Schließlich erklärte sich der Ladeninhaber bereit, meine Bestellung bis zum Ende des Tages fertig zu haben, obwohl er zuvor mehrmals betont hatte, das sei unmöglich. Wir hatten uns auf ein weites Gewand geeinigt, das unter einem ebenfalls weit geschnittenen Mantel getragen wurde, beides mit einigen Änderungen versehen, auf denen ich bestand, als Salzleck außer Hörweite war. Der Inhaber gab seine anfänglichen Bedenken auf, als ich ihm erklärte, Preis und Qualität spielten keine Rolle. Die Kleidungsstücke würden vermutlich mehr kosten als einige Teile in der Garderobe des Prinzen, und wahrscheinlich würden sie nicht einmal eine Woche halten, doch mich störte weder das eine noch das andere.
    Die Verhandlungen hatten länger gedauert, als mir lieb war, und einige der besonders teuren Geschäfte schlossen bereits. Zum Glück fand ich mein nächstes Ziel schon nach einigen Minuten: eine kleine Apotheke an der Einmündung einer Gasse.
    »Einen Moment«, sagte ich, als wäre mir gerade etwas eingefallen, und flitzte hinein.
    Als ich zurückkehrte, beäugte Salzleck neugierig das von mir erworbene Fläschchen.
    »Für Verdauungsstörungen«, sagte ich und zeigte die kleine Flasche, die tatsächlich Magenlikör enthalten hatte. Doch ihr ursprünglicher Inhalt war durch den Abfluss der Apotheke verschwunden. »Die letzten Tage haben wir uns von Wurzeln und Beeren ernährt. Ich fürchte, unsere Mägen bescheren uns die eine oder andere unangenehme Überraschung, wenn sie plötzlich mit üppigem Essen fertigwerden müssen.«
    Salzleck wirkte ein wenig verwirrt – vermutlich gab es kein Essen, das üppig genug war, seinen Magen in Schwierigkeiten zu bringen –, fand sich aber mit der Erklärung ab.
    »Jetzt bleibt nur noch eine Sache«, sagte ich. »Ich möchte eine Rechnung mit einem gewissen Kapitän begleichen.«
    Als sich der Tag dem Ende entgegenneigte, ließ die rege Betriebsamkeit im Hafen nach. Das Durcheinander, das wir dort am Morgen gesehen hatten, bestand nur noch aus einigen lauten Streitereien, Ladung schleppenden Arbeitern und rumpelnden Karren, die keine Rücksicht auf andere Passanten nahmen. Ich

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