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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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aus dieser Stadt zu tun hatte. Aber zweifellos stammte ihr Auftrag von ihm. Wie sonst konnten sie wissen, dass sich Salzleck nicht zur Wehr setzen würde?
    Ich nahm meinen Dolch und das Fläschchen und setzte beides neben den Ring.
    »Was ist das?«, fragte Pedero und beäugte die kleine Flasche argwöhnisch.
    »Medizin«, sagte ich. »Für meinen Magen.«
    Pedero strich mit dem Daumen über die flache Seite seines Messers. »Vielleicht brauchst du mehr als nur Medizin«, erwiderte er.
    »Hört mal, ich habe nicht das, was ihr sucht.« Ich reckte den Hals, hielt nach dem Anführer und seiner Truppe Ausschau. Es waren insgesamt fünf, und sie standen im Zugang der Gasse, schirmten Pedero und mich vor den Blicken von Passanten ab. »Ich weiß, was ihr für Moaradrid holen sollt. Aber ich habe es nicht.«
    Wenn ich gehofft hatte, ihn mit der Nennung des Auftraggebers durcheinanderzubringen, so musste ich eine Enttäuschung hinnehmen. »Es wäre besser für dich, wenn du den Gegenstand hättest. Und welche Diebe wären wir, wenn wir dich beim Wort nähmen? Wir suchen und suchen, und wenn wir das Objekt nicht an dir finden, so vielleicht in dir, wer weiß.«
    Mit einem erschrockenen Satz kam ich auf die Beine. Pedero trat vor, und ich wich zurück. Die anderen näherten sich wie die Finger einer Faust, die sich um mich schloss. So dicht standen sie bei mir, dass ich kaum mehr Salzleck sehen konnte. Dafür sah ich das Glänzen von Messern umso deutlicher. Die letzten Reste meines Mutes schmolzen dahin. »Ich habe den Stein nicht«, schluchzte ich. »Aber ich kann euch sagen, wo er sich befindet!«
    Plötzlich brach Chaos aus.
    Um mich herum geriet alles in Bewegung, der Halbkreis aus Körpern zerbrach, und ich hob instinktiv die Arme vors Gesicht. Ein Schlag warf mich zur Seite. Einen Sekundenbruchteil später hob mich etwas hoch, und ich versuchte, mich an den Pflastersteinen festzukrallen, als könnten sie mich irgendwie retten. Ich sah den wertvollen Ring, langte danach und bekam stattdessen das Fläschchen zu fassen.
    Ein neuer Ruck brachte den Boden aus meiner Reichweite. Für einen Moment starrte ich in Pederos Gesicht, das sich seltsamerweise direkt vor mir befand, in Augenhöhe. Er wirkte ebenso überrascht wie ich, bevor er abrupt nach hinten flog. Eine Sekunde später begriff ich, dass ich es war, der sich bewegte, und dann gerieten auch die anderen Männer in Sicht.
    Sie begannen zu reagieren. Einer rief: »Du hast doch gesagt, dass der Riese nicht …« Er unterbrach sich und schien nicht genau zu wissen, was der Riese machte.
    Mein verwirrtes Gehirn setzte alles zusammen, wenn auch ein wenig spät. Ich fühlte Salzlecks Finger, die meinen Mantel hielten, und mich darin. Seinen Arm hatte er ausgestreckt, und er rannte so schnell, dass die Halunken hinter uns zurückblieben, bevor sie begriffen, was geschah. Die langen Schritte des Riesen schufen schnell Abstand.
    »Nach links«, brachte ich hervor, und er kam der Aufforderung nach, verließ die Gasse und bog auf die Straße. Wir befanden uns am nördlichen Rand des Marktviertels; hier gab es kleine Lagerhäuser, die bis zu den Hafenanlagen im Osten reichten. In diesem Bereich herrschte noch immer Verkehr, der hauptsächlich aus überladenen Karren bestand. Rufe und raues Gelächter quittierten unser Erscheinen.
    Zuerst scherte ich mich nicht darum – besser lebend und komisch als ernst und tot. Ich änderte meine Meinung, als wir ein gutes Stück zurückgelegt hatten und klar wurde, dass uns niemand folgte.
    »Das reicht, Salzleck.«
    Er blieb so abrupt stehen, dass mein Kopf gegen seinen Oberschenkel stieß.
    »Au! Ich meine, setz mich ab, verdammt.«
    Er setzte mich ab, und ich brach prompt zusammen, weil mein Gleichgewichtssinn hinüber war. Im schmutzigen Rinnstein saß ich und wartete darauf, dass die Welt aufhörte, sich um mich zu drehen. Als sie so weit zur Ruhe gekommen war, dass ich aufzustehen wagte, holte ich aus und verpasste Salzleck einen Schlag, in den ich all meine Kraft legte. Sehr weit nach oben reichte meine Faust nicht, aber es fühlte sich trotzdem gut an.
    Er starrte mich an, vor allem in seinen Gefühlen verletzt. »Falsch getan?«
    »Nicht falsch. Zu spät! Warum hast du nicht sofort gehandelt? Bevor das Geschubse und die Drohungen losgingen, bevor ich einen aufgeschlitzten Bauch riskierte?«
    Er ließ den Kopf hängen. »Nicht gedacht habe.«
    »Und warum konntest du sie nicht ein bisschen hauen? Niemand hat von dir verlangt, ihnen

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