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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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zwei schäbigen Vagabunden floh. Wahrscheinlich boten wir einen komischen Anblick.
    Mir war nicht komisch zumute.
    Ich musste mich zwingen, nicht zu laufen. Die ganze Zeit über zermarterte ich mir das Gehirn und kramte in meinem Gedächtnis nach einem Weg, der uns so schnell wie möglich in belebtere Teile der Stadt brachte. Wir hatten inzwischen das Ende des oberen Marktviertels erreicht und näherten uns dem Tempelviertel, das um diese Zeit ebenfalls nahezu menschenleer war. Der Palast blieb unerreichbar fern. Bestimmt drohte uns keine Gefahr, wenn wir auf den Hauptstraßen blieben, oder? Die beiden Halunken würden es sicher nicht wagen, uns mitten auf der Straße zu überfallen, wo jederzeit jemand vorbeikommen konnte, oder?
    Drei Gestalten lösten sich aus den Schatten einer Nische vor uns, und einen Moment später hatten sie sich auf der Straße verteilt. Sie wirkten lässig und ungezwungen, als gehörte es zu ihrer täglichen Routine, jemandem den Weg zu versperren. Ihre Selbstsicherheit jagte mir mehr Angst ein als alles andere.
    Rechts von uns zweigte eine Gasse ab. »Dort entlang, Salzleck!«
    Der Riese schien die Gefahren hinter und jetzt auch vor uns noch gar nicht bemerkt zu haben. Er richtete einen verwunderten Blick auf mich, folgte mir aber, als ich in die Gasse huschte. Sie war breiter, als ich gedacht hatte, breit genug für meinen ziemlich breiten Begleiter. Leider war sie auch länger, als ich gehofft hatte. Und sie war nicht leer. Zwei weitere Gestalten erschienen vor uns, ihrem Erscheinungsbild nach zu urteilen gute Freunde der beiden Burschen, die uns vom Hafen gefolgt waren. Sie wirkten sogar noch etwas gemeiner, und ihr Lächeln deutete darauf hin, dass sie sich über die Begegnung mit uns freuten. Die Schritte hinter uns verrieten, dass der Rückweg abgeschnitten war.
    »Ihr seht aus wie Leute, die sehr beschäftigt sind, und deshalb erspare ich euch Zeit. Wir haben kein Geld.«
    »Ich denke, wir sehen selbst nach«, sagte der Mann auf der linken Seite.
    »Das könntest du versuchen. Aber würde es dir gefallen, wenn Salzleck hier dir mit deiner eigenen Milz den Schädel zertrümmert?«
    Der Mann richtete einen nervösen Blick auf den Riesen, und seine Selbstsicherheit bröckelte ein wenig.
    Hinter uns sagte jemand: »Das Monstrum wird niemandem wehtun, Pedero. Also los.«
    »So etwas sehe ich gern: Mutige Männer, die nicht zögern, ihr Leben aufs Spiel zu setzen.«
    Ich hörte in meinen Worten mehr Sorge, als mir recht sein konnte. Der Mann hinter uns hatte sehr überzeugt geklungen. Er wusste offenbar, dass Salzleck keine Gefahr darstellte. Mit Bluffen kam ich hier nicht weiter.
    »Salzleck, diese Männer wollen uns wehtun«, sagte ich. »Sie wollen uns daran hindern, heimzukehren und Estrada zu helfen. Das lässt du doch nicht zu, oder?«
    »Kein Kampf.« So nervös er auch klang, er meinte es ernst.
    »Was habe ich gesagt«, brummte der Mann hinter uns. »Er würde nicht mal auf eine Ratte treten. Also los.« Und dann, offenbar an unsere Adresse gerichtet, obwohl ich nicht sicher sein konnte, da ich den Blick nicht von Pedero abzuwenden wagte: »Niemand muss zu Schaden kommen.«
    »Niemand hat gesagt, dass wir ihnen kein Haar krümmen dürfen.«
    Pedero legte mir die Hand auf die Brust und drückte. Ich wankte zurück, verpasste nur knapp die Säule von Salzlecks linkem Bein, stieß gegen die Wand und ging zu Boden. Als ich aufsah, hielt Pedero ein Messer mit gezackter Klinge in der Hand – solche Messer gehörten zur Standardausrüstung des lokalen Packs. Sein Kumpel zog ebenfalls eins. Mit einem schlangenartigen Zischen glitt es aus einer geölten Lederscheide.
    »Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen.« Diese Worte kamen vom Anführer. »Leer deine Taschen, und keine Tricks.«
    Ich fragte mich, welcher Trick mich aus einer solchen Situation bringen konnte. Ein gewöhnlicher Überfall war dies nicht, so viel stand fest, und das musste ich bei jedem Versuch berücksichtigen, mich aus der aktuellen Zwickmühle herauszuwinden. Doch sosehr ich auch überlegte, mir fiel nichts ein.
    Ich zog Panchettos Ring vom Finger und warf ihn auf den Boden. »Das ist alles, was ich habe.«
    »Oh, sicher. Nur weiter so.«
    Ich begriff etwas, das mir sofort hätte klar sein müssen – die Männer suchten etwas Bestimmtes. Ich tippte auf den Stein, was bedeutete, dass Moaradrid sie geschickt hatte. Es waren nicht seine eigenen Männer, denn alles an ihrem Gebaren sagte mir, dass ich es mit Gesindel

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