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Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)

Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Marwood
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Tor, sie und Bel.
    Kirsty geht hinüber zu ihrem Modell und betrachtet es genau. Sie bekommt eine Gänsehaut, während sie sich selbst noch einmal durch die Augen nationaler Verdammung betrachtet. Eins fünzig groß, basiert es auf ihrem Schulfoto– das einzige Foto von ihr, das außer ihrem Polizeibild jemals irgendwer auftreiben konnte, vor allem, weil in Wirklichkeit gar keine anderen existierten–, allerdings hat man ihre Schuluniform durch ein formloses, kindisches Kleidchen ersetzt, das die Figur jünger erscheinen lassen soll, als sie tatsächlich gewesen ist. Das Gesicht ist aufgedunsen, den Haaren wurde ein Topfschnitt verpasst, und die Mundwinkel sind heruntergezogen wie bei einer alten Frau– die ein grämliches Leben voll armseliger Grausamkeit hinter sich hat. Es ist eine kunstlose Nachbildung, vergleichbar mit jenen mittelalterlichen Löwenstatuen, denen man im Museum begegnet, geschaffen von jemandem, der noch nie einen Löwen gesehen hat, sondern nur Beschreibungen von Seeleuten kennt. Und doch ist das unzweifelhaft sie, am leichtesten zu erkennen an der Nachbarschaft zu der hochnäsigen, befehlshaberischen Blonden, die mit einem Stein in der Hand neben ihr steht.
    Jade Walker und Annabel Oldacre, steht auf einem Schild. Es ist verblasst und seine Kanten über die Jahre, die es hier hing, von Fingern blank gewetzt.
    Die beiden Elfjährigen Walker und Oldacre schockierten die Welt mit der brutalen Ermordung von Chloe Francis, vier Jahre alt, am 17. Juli 1986 auf den Feldern unweit des Dorfes Long Barrow in Oxfordshire. Die beiden Mädchen hatten das Kind vor dem Süßwarenladen des Dorfes entführt und es zu verschiedenen Orten mitgenommen, um es schließlich am späten Nachmittag zu verprügeln und in einem Wasserlauf zu ertränken. Chloes Körper war mit Schnitten, Abschürfungen und Blutergüssen übersät, drei gebrochene Rippen und ein ausgekugelter Ellbogen bewiesen, dass die beiden sie einen Tag lang brutaler Folter unterzogen hatten. Allein ihre Kopfverletzungen waren so schwerwiegend, dass sie diese wahrscheinlich nicht überlebt hätte. Um ihr Verbrechen zu vertuschen, verscharrten die Mädchen die Leiche der kleinen Chloe herzlos im Wald, wo sie von Wildtieren verstümmelt wurde – ihre Familie war gezwungen, sie in einem geschlossenen Sarg zu beerdigen. Anschließend täuschten sie drei Tage lang Ahnungslosigkeit vor. Walker kam aus einer sozial benachteiligten Familie, Oldacre hingegen, die von vielen als der dominante Teil des Pärchens angesehen wird, war die Tochter eines bekannten Geschäftsmannes und besuchte eines von Großbritanniens besten Internaten. Der die Ermittlungen leitende Detective bezeichnete sie als » das eiskalteste Geschöpf, dem ich in meiner gesamten Polizeilaufbahn begegnet bin«.
    » Haben wir so ausgesehen?«, fragt Kirsty leise. Sie hat immer noch Schwierigkeiten, sich mit diesem Kind aus ferner Zeit, dem Kind, das Chloe getötet hat, in Zusammenhang zu bringen. » Habe ich wirklich so ausgesehen?«
    » Herrgott«, sagt Amber mit Abscheu in der Stimme. » Spielt das eine Rolle?«
    » Also, ja, ich– nein. Es ist nur, dass ich… Erkennst du dich? In dem, was sie über uns sagen?«
    » Jeden verfluchten Tag«, erwidert Amber bitter und geht in den Korridor zurück. » Du nicht?«
    » Ich…« Kirsty wendet sich von den Figuren ab, der Anblick ist zu schmerzhaft. Sie schaltet das Licht aus, als könne sie damit das Bild aus ihrem Kopf vertreiben. » Wir werden das nie los, oder?«, fragt sie kläglich. Vom Korridor, auf halber Strecke zur Halle, ertönt ein wütend klingendes Keuchen.
    » Das?«, schreit Amber. » Das? Was meinst du mit › das‹?«
    Sie tritt aus dem kleinen Raum und sieht Zorn und Verzweiflung im Blick ihrer ehemaligen Mitverschwörerin.
    » Ich frage mich, wieso sie dich überhaupt entlassen haben, Jade.«
    » Was meinst du damit?«
    » Du verleugnest die Wahrheit. Das haben sie immer zu mir gesagt. Und wenn ich weiter leugnen und mich meinem Verbrechen nicht stellen würde, würden sie mich nie entlassen.«
    » Na schön, ja«, protestiert Kirsty. » Natürlich! Mein Gott, ich tue ja nicht eine Sekunde lang so, als–«
    Amber stürmt den Rest zur Halle zu ihrem roten Samtsitz zurück. » Oh, doch, das tust du! Jeden Tag tust du so. Genau wie ich. Sag mir, wem du nicht etwas vorspielst. Nenn mir einen einzigen Menschen, mal abgesehen von irgendeinem Azubi, der in diesem Monat den Arbeitsauftrag hat, die Einhaltung deiner

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