Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)
und starrt an die Decke.
Sie hat jetzt ein Bild im Kopf und wird es einfach nicht wieder los. Jackie Jacobs im Spiegellabyrinth, gegen die Wand gedrückt und aufgespießt von ihrem Lebensgefährten. Aus irgendeinem Grund hat ihr Gehirn sie in ein rot getupftes Nackenträgerkleid gesteckt, so ein Teil, das Marilyn Monroe tragen würde. Sie hat scharlachrote Fingernägel, die seinen starken, vertrauten Hals umklammern. Ihr Gesicht ist zu einer Grimasse verzerrt, während sie sich ihm entgegenbäumt. Eine Million Orgasmusschreie, eine Million stoßende Gesäßbacken.
Scheiße.
Sie schließt die Augen und presst die Fäuste dagegen.
Komm schon, so war’s nicht. Selten hat sie Jackie in etwas anderem als in Trainingsanzug und T-Shirt gesehen. An dem Abend, als sie an Vics Geburtstag alle zusammen ausgingen, trug sie einen kurzen, engen Baumwollrock, der weiß sein sollte, aber eher grau war. Sie führt kein Doppelleben als Glamourmieze, hat keine heimliche Identität, mit der sie ihn überrascht und verführt hat.
Scheiße. Vor ihrem inneren Auge sieht sie sie jetzt in diesem bis über die Hüften hochgeschobenen Rock. Sie hat sich nicht mal die Mühe gemacht, ihr Höschen richtig auszuziehen, sondern hält mit dem Absatz eines ihrer rosa Stöckelschuhe ein Beinloch auf, um ihm das Eindringen zu erleichtern. Und während er zwischen ihren Schenkeln stößt, stöhnt sie lautstark– aah-aah-aah.
Hör auf! Hör endlich auf, dich selbst zu quälen. Wieso sind Frauen so? Warum müssen wir auf einer Sache herumreiten, wenn die Tatsachen, auch ohne die Details, vollkommen genügen? Diese Bilder, die ihr Gehirn heraufbeschwört, kann sie nun wirklich nicht brauchen. Sie muss nachdenken und Entscheidungen treffen. Was soll ich bloß tun? Macht es mir überhaupt so viel aus? Mal abgesehen von der Kränkung, der Empörung und dem Abscheu darüber, dass meine Gutmütigkeit derartig missbraucht wurde– ganz ehrlich, macht es mir wirklich so viel aus?
Sie ist verblüfft, wie gleichgültig sie im tiefsten Innern ist. Ein Teil von ihr beobachtet sie einfach, fasziniert wie ein Wissenschaftler einen Käfer. Sechs verlorene Jahre, und sie weiß nur zu gut, dass die Tränen von vorhin nicht nur aus Schmerz vergossen wurden, sondern auch, weil es das war, was in solch einer Situation von ihr erwartet wurde.
Scheiße.
Mary-Kate kommt herein und bleibt neben dem Sofa stehen. Schnüffelt. » Hallo«, sagt sie. » Hallo, Süße.«
Der Hund stellt sich auf die Hinterbeine und versucht verzweifelt, zu ihr hinaufzukommen. Amber fasst unter den winzigen, erstaunlich runden Bauch und zieht das Tier auf ihren Brustkorb. Schwanzwedelnd steht es da und lächelt sein Hundelächeln. Nach ein paar Sekunden schiebt Amber den Hund ein wenig beiseite, weil sich die Pfote in einen der Blutergüsse gräbt, die Vic bei seinem Quickie gestern hinterlassen hat.
Ich hasse ihn.
Wirklich? Oder denkst du das bloß, weil du glaubst, es denken zu müssen? Mal im Ernst, liegt dir überhaupt genug daran, um ihn zu hassen? Hast du dich vielleicht nur deshalb an all das hier geklammert, um für eine Weile am selben Ort bleiben zu können? Mein Gott, vielleicht hat er ja recht. Und sagt es nicht nur, um sich zu rechtfertigen. Vielleicht habe ich es verursacht.
Eine Stimme aus der Vergangenheit– die ihrer Mutter: Was erwartest du, Annabel? Nach allem, was er für dich getan hat! Und das ist dann der Lohn! Du bist so ein undankbares, widerliches Kind …
Amber schließt die Augen und krault den Hund hinter den Ohren. » Immerhin kann ich sie jetzt feuern, ohne mich deswegen beschissen zu fühlen, was, Mary-Kate?«
Mary-Kate schlängelt sich nach vorn und bedeckt Ambers Wangen mit nassen Hundeküssen.
» Verdammte Schlampe«, sagt Amber, ist sich jedoch nicht ganz sicher, wen sie damit meint.
KAPITEL 25
Obwohl er glaubt, Talent dafür zu haben, entscheidet sich Martin gegen eine Karriere als Privatdetektiv, denn er ist schnell dahintergekommen, dass es ganz schön ins Geld geht, Personen zu verfolgen. Kirsty Lindsay ist eine äußerst umtriebige Frau. Seit er sie beim täglichen Polizei-Briefing getroffen hat, ist er ihr durch die gesamte Stadt nachgelaufen und hat für Eintrittsgelder und Ähnliches fast ein komplettes Wochenbudget verbraten. Er ist ihr in den Vergnügungspark gefolgt, in der Bimmelbahn auf dem Pier drei Wagen hinter ihr gefahren, hat fünf Tassen Tee, zwei Gläser Cola, ein Baconsandwich und einen Chickenburger gekauft, außerdem für
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