Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)
drei Pfund Wertmarken für die Geräte in der Spielhalle, zwei Zeitungen und vier Busfahrkarten erworben, und gerade hat er, nach einem Abstecher zum Geldautomaten, fünfzehn Pfund für den Eintritt ins DanceAttack bezahlt. Den Mut, sie anzusprechen, hat er bislang jedoch noch nicht aufgebracht, und zu seiner Verwunderung hat sie sich verhalten, als hätte sie ihn überhaupt nicht bemerkt.
Er wartet an der Tanzfläche und beobachtet, wie sie sich ihren Weg durch den Raum bahnt.
Die Besucher der Diskothek haben das gesetzliche Mindestalter zum Alkoholkonsum gerade eben erst erreicht, sodass sie auffällt wie eine Nonne im Brauhaus. Beifällig sieht er, wie sie sich an der Bar ein Wasser mit Kohlensäure kauft. Schwächere Persönlichkeiten als sie– oder er selbst– hätten sich erst einmal die Kante gegeben, um das erbarmungslose Bum-Bum-Bum, die Schweißschwaden unter der viel zu niedrigen Decke, die klimpernden Ohrringe, die blauen Alkopopflaschen, die stecknadelkopfgroßen Pupillen, die zuckenden Becken und die vage Bedrohlichkeit, die das DanceAttack genau wie alle vergleichbaren Läden prägen, ertragen zu können. Der Lärm und die Isolation in diesem Gedränge treiben ihn normalerweise zur Verzweiflung, heute Abend jedoch ist er nicht allein.
Sie dagegen anscheinend schon. Ihre Kollegen haben sie sich selbst überlassen. Der letzte Mord ist vier Tage her, und jetzt, nachdem Vic Cantrell– Vic Cantrell, wer hätte das gedacht?– freigelassen wurde, wendet sich das Volk wieder Britney und Katie und den unerhörten staatlichen Sparmaßnahmen zu. Es ist eine Viertelstunde vor Mitternacht, sie steht ihm auf der anderen Seite der Tanzfläche gegenüber und wirft einen Blick auf ihre Armbanduhr. Sieht danach aus, als würde sie sich jede Minute mit den anderen Journalisten treffen. Er muss etwas unternehmen, sonst verliert er sie.
Er geht über die Tanzfläche auf sie zu, sieht, dass sie ihn bemerkt und ein Ausdruck von– Wiedererkennen, Nachdenklichkeitüber ihr Gesicht huscht. Er wendet die Augen nicht ab, wie ein Fremder es tun würde, sondern hält ihrem Blick stand, bis ihm ein Grüppchen Mädchen im Teenageralter torkelnd in die Quere kommt und ihm die Sicht verstellt. Als er sie wieder entdeckt, sieht er, dass sie tropfnass ist. Ihr Glas liegt auf dem Boden, und zwei unsicher schwankende Halbstarke in Turnschuhen, die ihnen mehrere Nummern zu groß sein müssen, stützen sich gegenseitig, während sie entschuldigend herumgestikulieren. Kirsty winkt ab, zuckt die Achseln und lässt sie gehen. Nett, freundlich– weitaus netter, als er es fertiggebracht hätte.
Trotzdem, dies ist seine Chance, ihr Retter in der Not zu sein. Hastig kämpft er sich voran, während sie ein Papiertaschentuch aus der Handtasche zieht und vergeblich auf ihrem feuchten Schenkel herumtupft. Er stellt sich nah genug vor sie hin, dass sie, sobald sie sich wieder aufrichtet, nur ihn sehen wird. Als sie es tut, zuckt sie beim Anblick seines lächelnden Gesichts zurück. Fängt sich wieder und mustert ihn ernst.
» Hallo, Kirsty«, schreit er.
Sie tritt einen Schritt zurück, er rückt nach.
Kirsty lässt sich Zeit mit einer Erwiderung. Höfliches, wenn auch kühles Interesse, aber keine Furcht. » Hallo«, sagt sie langsam.
» Kann ich Ihnen ein neues Glas besorgen?«, fragt er in seinem charmantesten Tonfall.
» Nein«, entgegnet sie, » danke. Ich habe nur aus… Höflichkeit etwas getrunken.«
Sie wartet, dass er etwas sagt, und sie starren sich durch das Wummern der Techno-Beats, das die Luft erschüttert, an.
» Was kann ich für Sie tun?«, fragt sie schließlich. Cool und kontrolliert. Irgendwie hätte er mehr Freude über seine Anwesenheit erwartet.
Er kann seine Überraschung nicht verbergen. » Erinnern Sie sich nicht an mich?«, will er wissen. Es ist einfach unvorstellbar, dass ihre Begegnung am Strand keinerlei Bedeutung für sie hatte. Immerhin hatte sie damals doch eindeutiges Interesse an einer Unterhaltung mit ihm bekundet.
Irgendetwas huscht über ihr Gesicht. Wenn er es nicht besser wüsste, könnte man es glatt für Unverständnis halten. » Wir sind uns schon einmal begegnet…«, tastet sie sich vor.
» Am Strand«, ergänzt er. Sein Unterton ist eindeutig. Es ist ausgeschlossen, dass sie sich nicht an ihn erinnert.
» Ah, richtig«, sagt sie. Wirft einen Blick über die Schulter, als erwarte sie jemanden, dann sieht sie ihn wieder an, mit scheinbarem Desinteresse. Lässt sich nicht in die Karten
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