Im Schatten der Schlange
Dämonenpriester auch meist aus Stein. Sie beschwören auf steinernen Altären, beten zu steinernen Götzen. Deshalb ist auch die stärkste und oberste ihrer kultischen Stätten das stong-nil-lumen…«
»Genug palavert«, drängte Urgat.
Und Nottr sagte ungeduldig: »Kannst du etwas tun oder nicht?«
»Wahrscheinlich. Aber es mag uns die Horde auf den Hals hetzen…«
»Wir haben wenig Wahl«, drängte Urgat.
»Mach schon«, befahl Nottr.
In diesem Augenblick rief eine vertraute Stimme von draußen:
»Seid Ihr da drin, Nottr?«
»Das ist Laerwyn«, entfuhr es Nottr. Laut rief er: »Ja, Herzog! Ich und Freunde!«
Einen Augenblick war Stille auf beiden Seiten, dann erklang Herzog Laerwyns Stimme wieder: »Es ist nicht leicht, meinem Volk, oder besser, was davon übrig ist, klarzumachen, daß ihr Freunde seid. Sie machen keinen Unterschied zwischen Barbaren und Barbaren. Sie machen überhaupt keine Unterschiede mehr.
Sie sind so besessen wie die Caer. Ihr Dämon heißt Hunger und Rache…!«
»Wie der unsere, Herzog!« rief Nottr. »Und wir haben nicht viel Zeit. Wollen deine Leute sterben, oder wollen sie uns ziehen lassen?«
Nach einem weiteren Augenblick der Stille, währenddessen die Darainer offenbar flüsternd berieten, rief Herzog Laerwyn: »Ich komme hinein!«
»Gut, aber mach rasch!«
Es dauerte dennoch einige lange Atemzüge, dann flackerte ein Lichtschein am Eingang, wuchs rasch, und Laerwyn trat mit einem brennenden Holzstück in der Rechten in den Tempel. Sie konnten sehen, daß er an Kopf und Armen verwundet war. Sein Gesicht war eingefallen und bleich. Er litt, aber er war bereit, zu kämpfen, um in diesem nackten Steinhaufen zu überleben, der Darainn war.
Er hatte die überlebenden Darainer um sich versammelt seit dem Morgen, und wie Nottr und seine Gefährten waren sie auf Jagd nach Eßbarem. Und wenn ihnen dabei ein paar Barbaren in die Finger kamen, um so besser. Der aufgestaute Haß gegen die vermeintlichen Befreier von den Caer und ihren Dämonen begann sich nun zu entladen. Aber sie hatten auch nicht vergessen, daß es Nottr und seine Gefährten gewesen waren, die die Horde immer wieder zu freundlichem Verhalten gegenüber den Darainern angehalten, ja gezwungen hatten.
Nottr und seine Gefährten waren im Grunde die wirklichen Befreier von Amorat und Duldamuur, wenn sie auch eine neue Plage mitgebracht hatten: die Barbaren.
Die Darainer erinnerten sich nun zögernd, weil sie ihrem Herzog ergeben waren, aber ihre finsteren Gesichter entspannten sich nicht. Hunger und Grimm ließen sich nicht so einfach abschütteln. Hundert Männer und Frauen waren es, die vor dem Tempel zusammengekommen waren – hungrige, räudige Wölfe von Darain. Ein Raunen ging durch die Menge, als sie vernahmen, daß die Barbaren im Morgengrauen abziehen wollten. Es war ein Raunen der Erleichterung, denn auch sie hatten die geflügelten Späher gesehen. Diese mochten wohl bedeuten, daß neue Priester, neue Caer, neue Dämonen auf dem Weg nach Darain waren. Darauf wollten sie nicht warten – lieber wollten sie unter den Äxten der Barbaren ein rasches Ende finden. Da war keiner, der den Tod fürchtete, doch in allen Gesichtern stand das Grauen vor der Finsternis.
Als sie erfuhren, wohin Nottr und seine Gefährten ziehen und welchen Kampf sie führen wollten, da gab es keinen mehr, der sie aufhalten, aber auch keinen, der sich ihnen anschließen wollte.
Auf Urgats Drängen brachen die Gefährten zur Nordmauer auf. Bevor sie die ersten Lagerfeuer der Quaren erreichten, mußte sich Thonensen seines Umhangs entledigen und Fellrock und Wams der Lorvaner anlegen. Er tat es mit leisem Protest. Ein halbes Hundert von Urgats Quaren nahmen die Ankömmlinge in ihre Mitte.
»Macht euch klein unter meinen Männern«, murmelte Urgat und führte die Gruppe an der Mauer entlang zum Haupttor. Niemand beachtete sie mehr als mit flüchtigen Blicken, denn das Hauptaugenmerk der meisten galt Urgat, dem neuen Hordenführer. Sie winkten und bedachten ihn mit aller Freundlichkeit, der hungernde Barbaren fähig sind.
Außerhalb der Stadtmauer sah es nicht anders aus, als innerhalb. Ringsum Lagerfeuer und mehr oder weniger opisbenebelte Lorvaner. Dies waren die ersten, die am Morgen aufbrechen würden. Große Spähertrupps waren bereits seit dem Mittag in östlicher Richtung unterwegs. Es würde ein Wettlauf mit dem Hunger werden. Sie waren zu lange in Darain geblieben. Sie hätten weiterziehen müssen – um jeden
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