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Im Schatten der Schlange

Im Schatten der Schlange

Titel: Im Schatten der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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Mann.«
    Die Männer machten sich daran, das Fleisch zu zerteilen. Für die Brühe gab es kleine steinerne Schalen. Im Krug war Bier, wie es die Tainnianer zur Erntezeit tranken. Die Lorvaner, mit Ausnahme Nottres, waren mit dem Getränk nicht vertraut. Der säuerliche Geruch ermutigte sie nicht sehr. Sie hätten klares Wasser vorgezogen.
    Das Fleisch hingegen schmeckte, wie es einst an der Tafel der O’Braenns nicht besser geschmeckt hatte. Es war gut zu wissen, daß die Diener der Finsternis solch irdischen Genüssen nicht abhold waren.
    Der Topf mit der fetten Fleischbrühe war fast leer; Fleisch lag noch ein Stück auf der Platte; das Bier war noch unberührt.
    »Trinken die das Zeug wirklich, ohne daß ihnen übel wird?« fragte Urgat.
    »Ich hab’ es einmal weiter im Süden getrunken«, sagte Arel. »Ich hab’ eine ganze Nacht den Hintern nicht mehr vom Balken gebracht. Aber die dort haben es in großen Mengen vertragen. Ich rühr’s nicht mehr an.«
    Calutt, der benommen dasaß, während die anderen aßen, und damit beschäftigt war, die Rauschwirkung der Opisblätter zu überkommen, erhob sich plötzlich, stand schwankend und torkelte auf das letzte Stück Fleisch zu. Er stolperte über Baraggs Beine und wäre der Länge nach hingefallen, hätten Keir und Lella ihn nicht gestützt. Sie richteten ihn auf und schoben ihn vorwärts.
    Er schüttelte den Kopf und murmelte: »Nicht gut… auf leeren Magen…« Dann griff er nach dem Fleisch.
    Und seine Hand fuhr mitten durch.
    Sie sahen es alle. Seine Hand glitt einfach durch, selbst durch den Knochen.
    Das ernüchterte den Schamanen ziemlich. Er griff erneut zu, und diesmal konnte er das Stück, das etwa die Größe zweier Fäuste hatte, nehmen und hochheben. Aber noch während er es hielt und anstarrte, entglitt es seinen Fingern, fiel einfach durch sie hindurch zu Boden, wo es deutlich hörbar aufschlug.
    Einen Atemzug lang war Schweigen und Unglauben.
    Dann beugte sich Lella vor und nahm das Fleisch. Sie berührte es ausgiebig mit beiden Händen, roch daran und kostete es. Sie schüttelte den Kopf und reichte es an Urgat weiter.
    »Es ist nicht wirklich«, sagte Calutt leise.
    »Nicht wirklich?« entfuhr es Lella. »Wir haben uns den Bauch vollgeschlagen…!«
    Aber er hörte nicht auf sie. Er beugte sich vor und tauchte eine Hand in den Topf, in dem «der Rest Brühe bereits so weit abgekühlt war, daß sich eine weiße Fettschicht bildete. Als er die Hand hochzog, war sie trocken.
    »Nicht wirklich«, wiederholte er, mehr zu sich selbst als zu den anderen.
    Seine Hand fuhr in den Bierkrug. Diesmal kam sie naß hoch – triefend. Er roch daran, kostete vorsichtig.
    »Wasser… kein Bier… nur Wasser… schmeckt bitter…« Er wandte sich zu den Gefährten um. »Rührt es nicht an!«
    »Wasser?« wiederholte Urgat kopfschüttelnd. Er stand auf und roch an dem Krug. »Bier«, sagte er überzeugt.
    »Laßt die Finger davon«, warnte Calutt erneut.
    »Was ist damit?«
    »Es ist etwas drin…«
    »Gift?«
    Der Schamane zuckte die Schultern. »Könnte sein… es schmeckt bitter, aber ich weiß nicht, wonach. Und es ist das einzige an diesem Essen, das wirklich ist…«
    »Aber wir sind satt, das ist wirklich genug«, widersprach Lella.
    »Wer weiß«, murmelte Khars. »Wir haben schon so vielen schwarzen Zauber gesehen, seit wir unterwegs sind. Ich halte es gar nicht für unmöglich, daß wir in Wirklichkeit hungrig hier sitzen…«
    »Narrheit…«
    »Sie waren verdammt rasch hier mit dem fertigen Fleisch. Das muß aber einen halben Tag kochen, bevor es so weich wird…«
    »Das werden seine Kreaturen schon seit dem Morgen besorgt haben. Er wird selber auch essen wollen.«
    »Solche Mengen?«
    »Warum nicht…?«
    Inzwischen stand der Schamane an der Steinwand. Er bekämpfte seine Benommenheit nicht mehr. Er gab sich ganz dem Gefühl der Leichtigkeit hin und blickte geradeaus, wie einer, der nicht mehr sieht, was um ihn ist, sondern dahinter. Dann streckte er die Hand aus und sah, wie sie in der Wand verschwand. Es tat nicht weh. Er spürte gar nichts, so, als ob es gar keine Wand gäbe, obwohl er sie deutlich sah. Dann zog er die Hand zurück und wandte sich taumelnd an seine Gefährten. Er zog einen Beutel aus seinem Mantel, öffnete ihn umständlich und schwankte dabei so stark, daß Lella und Keir fürsorglich nach ihm griffen.
    Er lächelte kürz und sah aus, als wäre er nicht bei Sinnen. »Etwas stimmt nicht mit diesen tainnianischen Opisblättern…

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