Im Schatten Der Wälder: Roman
ihnen zuzuschauen. Und hatte sie nicht großes Glück, dass sie mit den Hunden ihren Lebensunterhalt verdienen und etwas Wichtiges tun konnte?
Sie dachte an den kleinen Jungen und seinen Vater, der vor Erleichterung weinend ihren Hund umarmte. Und jetzt
sprang dieser Hund mit einem Stöckchen im Maul herum, so stolz auf seinen Fund – oder beinahe so stolz –, wie er darauf gewesen war, den Jungen gefunden zu haben.
Sie sah, dass alle drei Hunde die Ohren spitzten und vorne zum Haus liefen.
Jemand war über die kleine Brücke gefahren.
Verdammt! Ihr Tag fing doch erst in einer Stunde an. Bevor sie sich mit anderen Menschen abgeben konnte, brauchte sie erst noch ein anständiges Frühstück.
Aber als sie an die Tür trat und sie öffnete, hob sich ihre Laune. Mit Sylvia kam sie jederzeit zurecht.
Sylvia sprang aus ihrem schicken kleinen Hybrid-Auto – eine kompakte, lebhafte Frau mit dicken braunen, welligen Haaren. Sie trug kniehohe Stiefel mit dünnen Absätzen, dazu einen fließenden Rock mit einem pflaumenblauen Pullover, der zweifellos aus ihrem eigenen Laden stammte. An ihren Ohren baumelten riesige Silber-Triangel. Hinter ihr hüpfte ihr Boston Terrier Oreo aus dem Wagen.
Die Hunde begrüßten ihn freudig – Schnüffeln, Lecken, Wälzen, Rennen. Anmutig stieg Sylvia über die Meute hinweg und schenkte Fiona ein strahlendes Lächeln.
»Morgen, Süße! Wir sind eine Stunde zu früh, aber ich wollte noch ein bisschen mit dir tratschen. Hast du Zeit?«
»Für dich immer.« Fiona hockte sich hin und streichelte Oreo, der rasch zu ihr gekommen war, um sie ebenfalls zu begrüßen, bevor er zu seinen Spielgefährten zurücklief. »Komm in die Küche. Du kannst einen Tee trinken. Ich muss noch frühstücken.«
Sylvia umarmte sie, und Arm in Arm gingen sie ins Haus.
»Dass du und Peck den kleinen Jungen gefunden habt, ist das Thema auf der Insel. Das habt ihr gut gemacht.«
»Peck war perfekt. Und die Tatsache, dass Hugh zweimal Pipi machen musste, hat nicht geschadet. Aber es ist trotzdem
erstaunlich, welche Strecke so ein kleiner Junge im Spiderman-Pyjama zurücklegen kann.«
»Er muss ja schreckliche Angst gehabt haben.«
»Ich glaube, eigentlich haben ihm die Nässe und die Kälte mehr zugesetzt. Und er war müde.« Fiona schaltete den Wasserkocher ein und zeigte auf den Schrank, wo sie für Sylvia eine Auswahl an Kräutertees aufbewahrte. »Es tut mir leid, dass ich dich nicht gleich angerufen und dir Bescheid gesagt habe.«
»Kein Problem.« Sylvia wedelte mit der Hand und entschied sich für Zimt-Pfirsich. »Ich war sowieso in einer Töpferei – und habe natürlich mein Handy im Auto vergessen. Das muss ich mir auch mal abgewöhnen.«
Sie kniff die Augen zusammen, als Sylvia eine Schachtel Fruit Loops aus dem Schrank nahm. »Du willst doch nicht im Ernst dieses bearbeitete Zuckerzeug zum Frühstück essen.«
»Da ist doch Obst drin.« Fiona lächelte hoffnungsvoll und schüttelte die Schachtel. »Es steht doch drauf.«
»Setz dich. Ich mache dir ein anständiges Frühstück.«
»Syl, das hier ist in Ordnung.«
»Vielleicht als du zehn warst, und auch dann nur ab und zu. Setz dich«, wiederholte sie und öffnete Fionas Kühlschrank. »Hm, hm. Na gut, damit kann ich was anfangen. Du bekommst ein Eiweiß-Omelette mit Vollkorntoast.«
»Ja?«
»Und erzähl mal. Er sieht interessant aus, oder?«
»Hinreißend, und mit ein bisschen Training wird er ein wundervoller Gefährte werden.«
Sylvia warf Fiona einen strengen Blick zu. »Ich meinte Simon.«
»Ich vielleicht ebenfalls.«
»Ha. Er ist ungeheuer begabt, und er hat gute Manieren. Allerdings ist er auch ein bisschen geheimnisvoll.«
»Von wem redest du jetzt?«
»Schätzchen.« Sylvia trennte geschickt die Eier und gab das Eigelb in ein Gefäß. Dann schlug sie das Eiweiß mit ein wenig Käse und Kräutern auf. »Er hat ein schönes Haus am East Sound, macht wunderbare Kunstwerke, hat tolle Augen, einen starken Rücken, einen süßen Welpen, und er ist Single.«
»Klingt perfekt für dich. Schnapp ihn dir, Syl.«
»Das würde ich glatt, wenn es dafür nicht zwanzig Jahre zu spät wäre.« Sylvia goss das Eiweiß in die Pfanne, die sie auf den Herd gestellt hatte, und steckte Brot in den Toaster. »Du sollst ihn dir schnappen.«
»Was soll ich denn mit ihm anfangen? Außerdem«, fügte sie hinzu, als Sylvia verächtlich schnaubte, »sind Männer, genau wie Hunde, nicht nur zum Spaß da. Man muss sich ihnen langfristig
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