Im Schatten Der Wälder: Roman
die Verantwortung zu übernehmen. Er ist so eine Art einsamer Wolf – eine Einschätzung, die du mit deinen Erkenntnissen noch unterstützt: ein abgelegener Ort an der Bucht einer sehr kleinen Insel, die Trennung von seiner Familie, seine Berufswahl.«
»Manchmal hat ein einsamer Wolf nur noch keine Gefährtin – oder sein Rudel – gefunden.«
»Du bist eine unverbesserliche Romantikerin.«
»Das stimmt«, gab Sylvia zu. »Und ich bin stolz darauf.«
»Der Welpe jedenfalls ist verrückt nach ihm. Er zeigt keine Angst. Im Moment ist er das Alphatier, was mir sagt, dass der Mann ein weiches Herz hat. Er weiß es vielleicht nicht, aber es ist so. Dafür spricht auch die Tatsache, dass er keinen Versuch macht, den Hund loszuwerden, ganz gleich, wie sehr er sich über ihn ärgert. Und wenn man ihm logische Optionen aufzeigt, akzeptiert er sie. Er hat Jaws im Welpenkurs angemeldet, und er war zwar nicht glücklich oder begeistert darüber, aber er schien entschlossen zu sein. Wenn es also nicht anders geht, übernimmt er wohl doch Verantwortung für andere.«
»Du hättest Psychologie studieren sollen.«
»Alles, was ich weiß, habe ich von den Hunden gelernt.« Fiona stand auf und stellte ihren Teller in die Spülmaschine, dann trat sie hinter den Stuhl ihrer Stiefmutter und schlang Sylvia den Arm um die Schulter. »Danke für das Frühstück.«
»Jederzeit.«
»Trink noch eine Tasse Tee, ich muss den Kurs vorbereiten. «
»Ich helfe dir.«
»Nicht mit diesen Stiefeln. Der Boden ist noch ganz nass vom Regen gestern. Zieh meine Uggs an, bevor du rauskommst, sie sind in der Schmutzdiele.«
»Fee«, sagte Sylvia, als Fiona sich zum Gehen wandte.
»Ja.«
»Es ist jetzt schon fast acht Jahre her, für uns beide.«
»Ich weiß.«
»Es hat mich heute Morgen richtig überfallen. Manchmal passiert mir das am Jahrestag von Wills Tod. Deshalb wollte ich nur aus dem Haus und zu dir. Ich möchte dir sagen, wie froh ich bin, dass du hier bist, dass ich vorbeikommen und dir Frühstück machen kann, dass ich mir deine Uggs leihen kann. Ich bin so froh, Fee.«
»Ich auch.«
»Er wäre so stolz auf dich. Natürlich war er sowieso stolz auf dich, aber …«
»Das weiß ich doch, und ich denke gern, wie stolz und glücklich er über das wäre, was ich geschafft habe und tue.« Sie stieß die Luft aus. »Greg ginge es genauso, glaube ich jedenfalls. So viel von ihm ist schon verblasst, seine Stimme, sein Duft, sogar sein Gesicht. Ich hätte nie geglaubt, dass ich ein Foto brauche, um mir sein Gesicht wieder in Erinnerung zu bringen.«
»Sieben Jahre sind eine lange Zeit. Du warst noch so jung, Süße. Ich weiß, dass du ihn geliebt hast, aber du warst noch so jung. Ihr hattet eigentlich nicht viel Zeit zusammen.«
»Fast zwei Jahre, und er hat mir so viel beigebracht. Alles, was ich jetzt habe, verdanke ich Greg. Ich habe ihn geliebt, Syl, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, wie es sich angefühlt hat. Das Gefühl kann ich nicht mehr zurückholen.«
»Dein Dad und ich, wir haben ihn auch geliebt. Er war ein guter, guter Mann.«
»Der beste.«
»Fee, womöglich kannst du ja das Gefühl für ihn nicht mehr nachvollziehen, aber ich finde, es ist an der Zeit, dass du etwas für jemand anderen empfindest.«
»Ich weiß nicht. Manchmal… na ja, manchmal bin ich mir nicht sicher, ob ich jemals wieder dazu bereit bin.«
»Gefühle stellen sich nicht nur ein, wenn man dafür bereit ist.«
»Vielleicht nicht. Ich lasse mich mal überraschen. Aber im Moment habe ich genug anderes zu tun. Vergiss die Uggs nicht.«
Nach ihrem Fortgeschrittenen-Kurs, einer Gruppe von sechs Personen und Hunden, zu denen auch Oreo gehörte, bereitete sich Fiona auf die Anfänger-Spezialgruppe vor. Die meisten Schüler kamen vom Festland, um ihre Hunde für die Rettungsstaffel ausbilden zu lassen. Aber selbst wenn sie bei der Prüfung durchfielen, zogen Hund und Besitzer großen Nutzen aus dem zusätzlichen, speziellen Training.
Zu Beginn der Stunde nahmen sich Hunde und Menschen erst einmal Zeit zur Sozialisation. Nach Fionas Meinung war das keine Zeitverschwendung, sondern gehörte als wichtiges Element zur Ausbildung dazu. Ein Hund, der sich mit anderen nicht verstand, war für die Aufgabe nicht geeignet. Außerdem hatte sie in den zehn Minuten Gelegenheit, sich anzuschauen, wie gut Hunde und Menschen ihre Hausaufgaben gemacht hatten.
Sie schaute ihnen zu, die Hände in die Taschen ihrer uralten Kapuzenjacke gesteckt. »Okay,
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