Im Schatten Der Wälder: Roman
fühlte die Bewegung, hörte die Reifen auf dem Asphalt. Ich konnte nicht schreien, nicht treten, konnte mich kaum bewegen.«
Sie trank einen Schluck Wein. »Ich weinte ein bisschen, weil er mich umbringen würde und ich ihn nicht aufhalten konnte. Er würde mich umbringen, weil ich an jenem Morgen unbedingt allein laufen wollte. Ich dachte an meine Familie, an Greg, an meine Freunde, mein Leben. Dann hörte ich auf zu weinen und wurde wütend. Ich hatte doch nichts getan.«
Erneut trank sie einen Schluck Wein. Der Wind rauschte leise in den Fichten. »Und ich musste pinkeln. Das war demütigend, und so blöd es sich anhören mag, aber der Gedanke, dass ich mir in die Hose machen würde, bevor er mich umbrachte, weckte meine Lebensgeister. Ich drehte mich ein bisschen hin und her, und da fühlte ich den Klumpen in meiner Tasche. Ich hatte eine versteckte Tasche in meiner Jogginghose – hinten, über dem Hintern. Und Greg hatte mir ein kleines Schweizer Messer geschenkt.« Sie griff in ihre Jeanstasche und zog es heraus.
»Ein winzig kleines Messer, eine winzig kleine Schere, eine winzige Nagelfeile. Ein richtiges Mädchenmesser.« Sie schloss die Hand darum. »Es hat mir das Leben gerettet.
Meine Schlüssel und das Kaffeegeld, das ich in der Jackentasche bei mir trug, hatte er mir weggenommen, aber an eine Innentasche in der Hose hatte er nicht gedacht. Er wusste vermutlich gar nicht, dass es sie gab. Er hatte mir die Hände auf dem Rücken gefesselt, und ich kam so gerade mal daran. Ich glaube, ich hatte am meisten Angst, als ich das Messer herauszog und dachte, dass es vielleicht einen Ausweg gab.«
»Kann ich es sehen?« Als sie es ihm reichte, klappte Simon es auf und betrachtete es in der hellen Nachmittagssonne. Halb so lang wie mein Daumen, dachte er. »Damit haben Sie die Nylonschnur durchschnitten?«
»Geschnitten, gesägt, gehackt. Ich habe allein eine Ewigkeit gebraucht, bis ich es aufgeklappt hatte, und dann dauerte es noch einmal so lange, bis ich den Strick durch hatte. Auch den an den Knöcheln musste ich aufschneiden, weil ich den Knoten nicht aufbekam. Zuerst hatte ich schreckliche Angst, dass er anhalten würde, bevor ich fertig war, und dann hatte ich Angst, dass das verdammte Auto nie mehr stehen bleiben würde. Aber schließlich hielt er an und stieg pfeifend aus. Dieses Geräusch werde ich nie mehr vergessen.«
Simon stellte es sich vor – ein Mädchen, gefangen, außer sich vor Angst, wahrscheinlich blutig, wo die Stricke ihr in die Haut geschnitten hatten. Und bewaffnet mit einem Messer, das nicht gefährlicher war als ein Daumennagel.
»Ich klebte mir das Klebeband wieder über den Mund.«
Sie sagte es so ruhig und sachlich, dass er sie unwillkürlich erstaunt ansah.
»Und ich legte den Strick wieder über meine Knöchel, die Hände nach hinten. Ich schloss die Augen. Immer noch pfeifend öffnete er den Kofferraum.
Er beugte sich vor und klopfte mir auf die Wange, um mich aufzuwecken. In dem Moment habe ich mit dem kleinen
Messer zugestochen. Ich hatte gehofft, sein Auge zu treffen, aber ich habe es verfehlt und ihn nur irgendwo ins Gesicht getroffen. Doch er war so überrascht, dass ich noch mit der Faust zuschlagen und nach ihm treten konnte. Zwar nicht so fest, wie ich eigentlich wollte, weil mich der Strick behinderte, aber er taumelte doch zurück, und ich konnte herausspringen. Er hatte die Schaufel fallen lassen, und ich packte sie und knallte sie ihm ein paarmal auf den Kopf. Irgendwie bekam ich seine Schlüssel zu fassen, bin ins Auto und losgefahren.«
»Sie haben ihn niedergeschlagen und sind weggefahren«, murmelte Simon verblüfft.
»Ich wusste nicht, wo ich war oder wo ich hinfuhr, und ich hatte Glück, dass ich keinen Unfall gebaut habe, aber ich bin gefahren wie der Teufel. Schließlich sah ich die Lichter von einer Lodge oder einem Hotel – er war mit mir in den Olympic National Forest gefahren. Sie riefen die Ranger, und die Ranger informierten das FBI und so weiter. Er entkam, aber ich konnte ihn beschreiben. Sie hatten das Auto, seinen Namen, seine Adresse. Oder jeweils die gegenwärtige. Trotzdem entwischte er ihnen noch fast ein Jahr lang. Bis er Greg und Kong erschoss und Kong ihn stoppte. Kong hat sein Leben gegeben, um ihm das Handwerk zu legen.«
Sie steckte das Messer wieder in die Tasche.
»Sie sind eine ziemlich kluge Frau«, sagte Simon nach einer Weile. »Sie wissen also, dass Sie mit Ihrem Verhalten anderen Frauen das Leben gerettet haben. Der
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