Im Schatten Der Wälder: Roman
Korrespondenz, weil sie annehmen, dass die beiden sich kennen. Wahrscheinlich werden sie sich auch an dich wenden. Ich habe ihnen gesagt, dass du hier übernachtet hast.«
Sie schlug die Beine übereinander. »Mir geht gerade durch den Kopf, dass ich im Moment ziemlich viel Mühe mache. Normalerweise bin ich pflegeleichter, weil ich mich lieber um mich allein kümmere. Aber jetzt … Wenn du eine Auszeit möchtest, kann ich das verstehen.«
»Nein, das kannst du nicht.«
»Doch.« Sie blickte ihm direkt in die Augen. »Ich würde
dich zwar für einen kalten, selbstsüchtigen feigen Bastard halten, aber ich würde es verstehen.«
»Ich bin ein kalter, selbstsüchtiger Bastard, aber ich bin nicht feige.«
»Du bist nichts von alledem. Na ja, vielleicht ein bisschen ein Bastard, aber das macht einen Teil deines Charmes aus. Simon, schon wieder wird eine Frau vermisst. Sie passt ebenfalls ins Muster.«
»Wo?«
»Süd-Oregon, im Norden der Grenze zu Kalifornien. Ich weiß, was sie durchmacht, wie viel Angst sie hat, wie verwirrt sie ist. Und ich weiß auch, dass sie in ein paar Tagen eine Leiche finden werden, mit einem roten Schal um den Hals und einer Zahl auf der Hand, wenn sie nicht durch irgendeinen Zufall entkommen kann.«
Sie musste ein anderes Bild sehen, dachte er. Sie musste die Emotionen in Logik verwandeln. »Warum hat Perry eigentlich immer sportliche Studentinnen gewählt?«
»Was?«
»Du hast doch bestimmt darüber nachgedacht, das FBI, die Therapeuten, sie hatten doch garantiert einiges dazu zu sagen.«
»Ja. Seine Mutter war so ein Typ. Sie war Sportlerin, Läuferin. Anscheinend hat sie es nur knapp verpasst, in die Olympia-Mannschaft aufgenommen zu werden, weil sie schwanger wurde. Sie endete als verbitterte, unzufriedene Mutter von zwei Kindern, die mit einem fanatisch religiösen Mann verheiratet war. Eines Tages hat sie den Mann und die Kinder einfach verlassen.«
»Ist sie verschwunden?«
»Ja, so könnte man sagen – allerdings lebt sie und erfreut sich bester Gesundheit. Das FBI hat sie aufgespürt, als sie Perry identifiziert hatten. Sie lebt – oder lebte – in einem
Vorort von Chicago und unterrichtet in einer privaten Mädchenschule. «
»Warum der rote Schal?«
»Als Perry sieben war, hat er ihr einen zu Weihnachten geschenkt. Ein paar Monate später ist sie gegangen.«
»Er hat also seine Mutter getötet.«
»Er hat das Mädchen getötet, das seine Mutter war, bevor sie schwanger wurde und den Mann heiratete, der sie – laut seiner Mutter und anderer Leute, die die beiden kannten – missbraucht hat. Er hat die glückliche College-Studentin getötet, die ihr Leben vor sich hatte, bevor sie mit einem Kind klarkommen musste. Das jedenfalls haben die Psychiater gesagt.«
»Und was sagst du?«
»Ich sage, das ist alles nur ein beschissener Vorwand, um jemand anderem Schmerzen und Angst zufügen zu können. Und jetzt benutzt jemand anderer Perrys beschissenen Vorwand. «
»Du stehst hier wegen dem, was er dir angetan hat. Motivation spielt eine große Rolle.«
Sie setzte ihr Glas ab. »Glaubst du wirklich …«
»Wenn du mich ausreden lässt, sage ich dir, was ich denke. Motivation spielt eine große Rolle«, wiederholte er. »Warum du etwas tust, hat eine Verbindung dazu, wie und für wen du es tust. Und vielleicht auch, was du letztendlich siehst – wenn du so wie er gucken kannst.«
»Mir ist egal, warum er all diese Frauen und Greg getötet hat, warum er versucht hat, mich zu töten. Ich will das nicht wissen.«
»Das solltest du aber. Du weißt ja auch, was sie motiviert.« Er zeigte auf die Hunde. »Spiel, Lob, Belohnung – und der Wunsch, denen zu gefallen, die das alles austeilen. Dass du das weißt, macht dich ja so gut in dem, was du tust.«
»Ich verstehe nicht, was …«
»Ich bin noch nicht fertig. Er war auch gut in dem, was er getan hat. Gefasst wurde er erst, als er von seinem Erfolgsschema abgewichen ist.«
»Er hat Greg und Kong kaltblütig ermordet.« Fiona erhob sich. »Bezeichnest du das als Abweichung?«
Simon zuckte mit den Schultern und trank einen Schluck Wein.
»Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst.«
»Weil du lieber wütend sein willst.«
»Natürlich bin ich lieber wütend. Ich bin ein Mensch. Ich habe Gefühle. Ich habe ihn geliebt. Hast du noch nie jemanden geliebt?«
»Nicht so.«
»Nina Abbott?«
»Himmel, nein.«
Seine Stimme klang so schockiert, dass das wohl die Wahrheit war. »Mir kam die Frage gar nicht so abwegig
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