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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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die Steine und Schlaglöcher der ungepflasterten Gasse durch die dünnen Sohlen ihrer Schuhe. In ihrem Hirn klopfte ein Stoßgebet im Rhythmus ihrer Herzschläge: Herr, hilf … Herr, hilf … Herr, hilf! Selbst ihre Beine bewegten sich im gleichen Takt.
    Und dann war sie heran und hatte alle ihre taktischen Überlegungen vergessen: das Messer vorstrecken, ein Stich unterhalb des linken Schulterblattes, das Messer herausreißen, dem Mann die Krallen durch Gesicht ziehen, ihm auf den Rücken springen, ihn zu Boden reißen, noch im Fallen das Messer an seine Kehle bringen und hindurchziehen, hindurchstoßen, hindurchsägen, dass ihr das Blut warm und feucht über die Hände sprudelte, sich auf ihn schwingen, in seine entsetzten, sterbenden Augen sehen und zischen: »Das ist für meinen Mann!« Und dann zustechen, zustechen, zustechen …
    Sie rannte in ihn hinein; es war ein Aufprall wie auf einen Felsen. Trotzdem geriet er ins Stolpern. Barbara hörte ein Klimpern, sah das Messer unbenutzt über den Boden wirbeln. Der Mann ruderte mit den Armen und verlor eine seiner Sandalen, trat sich mit dem bloßen Fuß auf die Sohle der verbliebenen Sandale, fiel nach vorn und schlug dröhnend auf. Barbara, vom eigenen Schwung mitgerissen, rollte über ihn hinweg gegen die Wand eines Gebäudes und fühlte plötzlich den Messergriff wieder zwischen den Fingern. Sie sprang auf und schnellte zu dem Mönch hinüber, der sich gerade auf die Oberarme stützte, riss ihn zur Seite und kam mit weit gespreizten Beinen auf seinem Brustkorb zu knien. Sie spürte, wie ihr Rock an einer Seite in der ganzen Länge bis hinauf zum Bund aufriss, packte die Kapuze des Skapuliers, fegte sie nach hinten und hob das Messer. Sie hörte sich schrill kreischen, starrte in das totenbleiche Gesicht des Mannes unter ihr, in dem die Augen und der Mund große schwarze Löcher waren, und wurde sich bewusst, dass das Kreischen von ihm kam, nicht von ihr …
    … ein großes, fettes Gesicht …
    Barbara hob das Messer noch höher.
    … feiste Wangen, zwischen denen die Nase wie ein kleiner Knopf hing; ein bebendes Doppelkinn, das sich vom Kieferknochen scheinbar ohne jede Zäsur zum Halsschnitt des Skapuliers herunterzog …
    »Heiligemariamuttergottes«, kreischte der Mönch und stierte sie an. »Tu mir nichts! Gnade! Erbarmen!«
    Das Messer in Barbaras Faust zuckte. Die Lider des Mannes zuckten mit. Barbara fühlte, wie die Kraft aus ihrem Leib rann. Sie ließ das Messer fallen.
    Sie hatte erneut versagt.

Kapitel 19.
    D er Hypocaust hat schon lange versagt«, erklärte Tiberius. Sein Dialekt war grauenvoll; man musste sich direkt schämen, die gleiche Sprache zu sprechen wie er. Diese Apulier verwandelten sie in eine ungenießbare Mischung derber Urlaute, das phonetische Äquivalent zu ihren ekelhaften Wasserteigbroten, auf die sie alles streuten, was sich seit der letzten Überschwemmung auf dem Fußboden ihrer Hütten angesammelt hatte, um das Ganze dann in den Ofen zu schieben, bis es blubberte und zischte und große Blasen warf, um es dann zu verzehren. Rinaldo machte ein aufmerksames Gesicht. Er würde den Teufel tun und sich anmerken lassen, wie enttäuscht er nach der ersten überraschenden Feststellung gewesen war, dass Tiberius wie er von jenseits der Alpen kam, als er gemerkt hatte, woher Tiberius stammte.
    »Ablagerungen in den Leitungen«, sagte Rinaldo. »Vielleicht sind irgendwo ein paar Tonröhren zerbrochen, und ihre Trümmer verstopfen den Durchlauf. Es müsste einen Zulauf vom Rhein her geben, der dieses Becken immer wieder füllt, und der wahrscheinlich ebenfalls halb verschüttet ist.«
    Tiberius zuckte mit den Schultern. »Ja, frisches Wasser kommt nach, aber nur in kleinen Mengen. Was soll’s!« Er trat einen kleinen, lockeren Steinbrocken aus der Umfassung des gewaltigen Wasserbeckens, welches das Reservoir der früheren Therme darstellte. Der Stein hüpfte in weitem Bogen ins Wasser. Katerina, die mit unbeholfenen Bewegungen darin herumpaddelte und mehr das Wasser aufspritzte, als dass sie sich darin fortbewegt hätte, warf ihnen einen empörten Blick zu. Sie zog eine unregelmäßige Kurve wie eine Galeere mit schweren Ausfällen unter den Rudersklaven und rettete sich an den Randbereich des Beckens, wo das Wasser ihr nur bis zur Hüfte ging. Rinaldo fragte sich, wie tief das Becken wohl in der Mitte sein mochte. Es war ein ungeheurer Wasservorrat hier – die Zeit musste die Zuführungen, die die Römer zur nächsten natürlichen

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