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Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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nickend.
    Gemächlich lehnte Cartagena sich zurück. »Woher wissen Sie, was ein Raketenflugzeug ist? Sie haben mein Reisegefährt so genannt.«
    Carya biss sich auf die Lippen. Schon wieder stand sie vor der kniffligen Entscheidung, Cartagena in einen Teil ihrer Vergangenheit einzuweihen, der nicht ganz ungefährlich war. Andererseits wissen schon so viele davon. Jonan, Pitlit, meine Eltern, die Ausgestoßenen, Lucai, die Ascherose, Aidalon und die Inquisition. Viel verliere ich nicht, wenn ich es ihm verrate. Vielleicht kann ich Cartagena sogar aus der Reserve locken, sofern ich es richtig anstelle. »Ich weiß es, weil ich vor zehn Jahren mit einem Raketenflugzeug wie diesem in der Wildnis nördlich von Arcadion abgestürzt bin«, antwortete sie.
    Sie hatte erwartet, dass Cartagena zumindest gelinde erstaunt dreinschauen würde. So eine Geschichte hörte man immerhin nicht alle Tage. Stattdessen musste sie zu ihrer Verblüffung miterleben, dass das genaue Gegenteil der Fall war. Ein Lächeln breitete sich auf seinem bärtigen Gesicht aus, so als sei er zufrieden, bestätigt zu bekommen, was er schon länger geargwöhnt hatte. »Lassen Sie mich raten: Das Raketenflugzeug sollte eigentlich nach Paris fliegen«, mutmaßte er erstaunlich treffsicher. »Und nun sind Sie hier, weil Sie wissen wollen, was es damit auf sich hat.«
    »Schön, jetzt wissen Sie es also«, versetzte Carya. »Ich hoffe, Sie sind zufrieden. Aber nun bin ich an der Reihe.«
    »Bitte«, sagte Cartagena und machte eine auffordernde Geste.
    »Für wen arbeiten Sie? Wessen Botschafter sind Sie?«
    »Eine sehr gute Frage«, lobte er sie. »Vielleicht die beste, die Sie stellen konnten. Und ich will sie Ihnen beantworten, wie versprochen.« Seine Miene wurde ernst. »Fürs Protokoll bin ich als Gesandter der Ostallianz am Hof, einer Gruppierung nicht weiter bedeutender Länder jenseits der Alpen. Tatsächlich stehe ich für die Erdenwacht. Aber diesen Namen dürfen Sie niemals jemandem am Hof gegenüber erwähnen. Die Erdenwacht ist nur einem sehr ausgewählten Kreis an Menschen hier bekannt.«
    »Die Erdenwacht?«, wiederholte Carya. Davon hatte sie noch nie gehört. »Was ist …«
    Ein kräftiges Klopfen an der Tür unterbrach sie.
    »Herein!«, rief Cartagena.
    Die Tür öffnete sich, und ein Diener streckte den Kopf ins Zimmer. »Verzeihung, Monsieur Ambassadeur, aber der Mondkaiser empfängt Euch jetzt. Er erwartet Euch umgehend.«
    »Danke.« Cartagena warf Carya einen entschuldigenden Blick zu. »Alles Weitere zwischen uns muss warten. Wir sprechen uns morgen wieder. Bitte fühlen Sie sich von meiner Unhöflichkeit, Sie nun allein lassen zu müssen, nicht verjagt. Genießen Sie das Abendessen, und danach wünsche ich Ihnen eine gute Nacht.«
    »Die wünsche ich Ihnen auch«, verabschiedete sich Carya.
    Cartagena verließ den Raum, gab zuvor aber dem Diener noch eine geflüsterte Instruktion, woraufhin dieser dezent neben der Tür stehen blieb, nachdem der Botschafter gegangen war. Weit her ist es mit seinem Vertrauen wohl doch nicht , dachte Carya. Allerdings musste sie zugeben, dass sie sich leicht hätte verführt fühlen können, in den Sachen des mysteriösen Mannes zu stöbern, wenn man sie unbewacht gelassen hätte.
    Da es ihr irgendwie unangenehm war, alleine und unter dem stoischen Blick des Dieners zu speisen, beendete Carya ihre Mahlzeit rasch und stand dann auf. Zu ihrer Freude und Überraschung spürte sie ihren verletzten Fuß kaum noch. Offenbar war es doch nichts Ernstes gewesen. »Ich werde jetzt auf mein Zimmer gehen«, verkündete sie dem Bediensteten, der die ganze Zeit stumm und starr wie eine Statue gewartet hatte.
    »Sehr wohl«, sagte dieser.
    Entschiedenen Schrittes verließ Carya den Raum und lief den Korridor hinunter. Ohne Cartagena fühlte sie sich ein wenig verloren, und sie hoffte, dass sie niemand ansprechen und fragen würde, wer sie war und was sie hier trieb.
    Als sie um die Ecke bog, um die Treppe hinauf in den zweiten Stock zu nehmen, prallte sie unvermittelt mit jemandem zusammen. »Vorsicht, Mademoiselle«, rief ihr Gegenüber aus, als er die Hände ausstreckte, um sie festzuhalten, damit sie nicht stürzte.
    Erschrocken fing sich Carya und trat einen Schritt zurück. »Verzeihung«, sagte sie.
    In diesem Moment erkannte sie, wer da vor ihr stand. Es handelte sich um den jungen Mann mit dem schmalen Gesicht und den aristokratischen Zügen, den sie gestern auf einem Pferd sitzend und in Begleitung einiger

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