Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
seinerseits nicht weniger Spaß an Karstens lebhafter Erzählweise hatte. Karsten erlaubte es sich sogar, einige Male um Alice herumzugockeln, um das stolze Gehabe eines spanischen Kommilitonen nachzumachen. Alices Augen blitzten vor Vergnügen, was Sammy nur noch mehr in Rage brachte. Als Karsten noch eine Anspielung auf Alices Dekolleté machte, ballte er unter dem Tisch eine Faust. Er hatte erwartet, dass Alice ihn zurechtweisen würde, doch sie fand die anzüglichen Bemerkungen nicht weniger lustig, als Naomi und Roman. Karsten witzelte, dass er Blondinen bevorzuge, wobei er Alice tief in die Augen blickte und anschließend mit einem sarkastischen Spruch weiterspottete, dass sie wohl eher auf Füchse stünde und nicht wisse, was sie verpasse. Naomi warf ihm deswegen zwar die Serviette an den Kopf, aber alle lachten über den Witz, der auf seine Kosten ging. Sammy versuchte gar nicht erst, Karsten über den Mund zu fahren. Er wusste, dass das Großmaul nur noch zwei Tage bliebe und er den Vollidioten bald wieder los wäre.
Solange musste er Karsten aus dem Weg gehen. Sammy war überzeugt, dass er sich bei einem weiteren Treffen nicht mehr im Griff haben und dem Clown seine große Fresse stopfen würde. Er schluckte seine Aggressionen mit einem kräftigen Schluck Wein hinunter, blickte auf die Uhr und verabschiedete sich von der Runde mit der Ausrede, eine Sonderschicht schieben zu müssen. Alice drückte er einen langen Kuss auf den Mund, und ihn beschlich während des Kusses das Gefühl, dass sie ihn eher widerwillig über sich ergehen ließ.
*
Gegen zehn Uhr abends schloss Karsten Naomis Wohnungstür auf. Ohne Licht zu machen trat er ans Fenster. Neugierig schielte er auf die Straße. Naomi und Roman standen dort und küssten sich innig, was ihm einen leichten Stich versetzte. Einerseits war es unübersehbar, dass die beiden ineinander verliebt waren, doch andererseits liebte auch er Naomi, wenn auch mehr, wie ein großer Bruder. Naomi wurde flügge. Und er würde kaum noch eine Rolle in ihrem Leben spielen. Der Gedanke machte ihn traurig. Naomi löste sich aus Romans Armen, um auf den Hauseingang zuzugehen, drehte sich nochmals um, eilte zurück in seine Arme und küsste ihn kurz, bevor sie tatsächlich ins Haus ging. Roman stand noch auf der Straße, als Naomi durch die Wohnungstür ging und Karsten am Fenster stehen sah.
»Du hast gespannt? Schlimmer als ein Vater!« Naomi grinste in sich hinein und schleuderte ihre Schuhe von den Füßen. »Diese hohen Hacken bringen mich noch um!«
Karsten wandte sich vom Fenster ab. »Ich habe Leandra versprochen, dich während der drei Tage nicht aus den Augen zu lassen.«
Naomi zog sich die engen Jeans aus und schlüpfte in ihre bequeme Jogginghose. »Was war heute eigentlich los?«
Karsten öffnete seine Sneakers. »Was meinst du?« Naomi nahm Karstens Sporthose vom Schreibtischstuhl und warf sie ihm zu.
»Das weißt du ganz genau.« Naomi ging in die Küche. »Noch einen Kaffee?«
Karsten nickte und folgte ihr. »Ich mag diesen Sammy nicht. Das ist los. Er hat etwas Verschlagenes.«
»Sammy ist mein Freund. Ohne ihn hätte ich die Prüfung niemals bestanden. Er ist in Ordnung. Also lass ihn in Ruhe.« Naomi füllte das Kaffeepulver in die Maschine und schaltete sie an.
»Er schaut dich merkwürdig an.« Karsten griff nach einem Kugelschreiber und spielte damit herum. »Er ist in dich verknallt. Sobald er sich unbeobachtet fühlt, sticht er Roman mit den Augen ab. Und die arme, süße Alice ist ihm wirklich scheißegal.«
Naomi beobachtete, wie Karsten wirre Muster auf eine Zeitschrift malte. Sammy war ihr Freund. Wie konnte Karsten nur so etwas sagen? War er etwa eifersüchtig? »Alice gefällt dir. Ist es das? Immerhin hast du den ganzen Tag mit ihr geflirtet.«
Karsten blickte auf. »Ja, sie gefällt mir. Dafür gefällt mir nicht, wie Sammy sie behandelt. Er ignoriert sie vollkommen. Er lässt dich nicht aus den Augen, und seine Halsschlagader fängt an zu zucken, sobald dein Lover dich auch nur streift.«
»Mein Lover hat einen Namen.« Naomi lehnte sich an die Küchentheke. »Und du hast dich heute wie ein Trottel benommen. Ich meine, ich fand es lustig, wie du Alice in deine Geschichten mit eingeflochten hast. So war es viel realer. Aber Sammy fand das nicht witzig. Wenn du mal genau darüber nachdenkst, würde es dir an seiner Stelle auch nicht gefallen. Vielleicht hat er mich so angesehen, weil er sich Hilfe von meiner Seite erwartet
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