Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
Er willigte ein, wenn er auch nicht verstand, warum er nichts sagen sollte. Viele Leute wandelten im Schlaf. Karsten stand auf, sperrte die Tür ab und zog den Schlüssel ab. »Sicher ist sicher. Ich bin hundemüde und habe keine Lust, dich später auf der Straße zu suchen.« Den Haustürschlüssel ließ er in seiner Hosentasche verschwinden, bevor er sich ins Bett legte. »Schlaf schön. Und keine nächtlichen Ausflüge mehr, verstanden?«
Naomi lehnte sich an das Kopfende des Bettes, schlürfte den heißen Tee und grübelte. Der Vollmond schien in das Zimmer. Karstens Brustkorb hob und senkte sich regelmäßig. Er war schon wieder eingeschlafen. Naomi seufzte. Ihre Hormone mussten schuld am Schlafwandeln sein. Seit sie Roman kannte, war ihr Magen wie zugeschnürt, sie schlief kaum und fühlte sich trotzdem großartig. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Roman. Die leere Tasse stellte sie neben das Bett, um die wärmende Decke nicht zurückschlagen zu müssen.
Die Stunden krochen dahin. Naomi fand keine Ruhe. Sie wälzte sich von einer Seite auf die andere, und Karstens gleichmäßige Atemgeräusche gepaart mit seinem leisen Schnarchen machten es nicht besser. Es dämmerte, als sie endlich Schlaf fand.
Der Wecker riss Naomi aus dem Tiefschlaf. Frischer Kaffeeduft zog durch das Studio. Von Karsten keine Spur. Sie streckte sich ausgiebig, bevor sie aufstand und unter die Dusche ging. Das heiße Wasser prasselte auf sie nieder und weckte endgültig ihre Lebensgeister. Obwohl sie kaum drei Stunden geschlafen hatte, fühlte sie sich fit wie ein Murmeltier nach dem Winterschlaf. Naomi schnürte ihre Turnschuhe zu, als die Haustür aufschwang und Karsten eintrat.
»Nachdem sich in deinem Kühlschrank aus Verzweiflung eine Maus erhängen würde, habe ich etwas zum Frühstücken besorgt!« Er wedelte mit einer Tüte vor ihrem Gesicht herum. »Milch habe ich übrigens auch gleich mitgebracht.« Mit gerunzelter Stirn betrachtete er Naomi. »Wo willst du denn hin?«
Naomi stellte ihre leere Kaffeetasse auf den Schreibtisch. »Nach was sieht es denn aus? Kommst du mit?«
»Frühsport war noch nie was für mich. Lass uns erst frühstücken, okay?«
Naomi gluckste kurz und schüttelte den Kopf. »Erst joggen, dann frühstücken. Vollgefressen durch den Wald laufen ist nichts für mich.«
Karsten verzog angewidert das Gesicht.
»Jetzt hab dich nicht so. Ich will dir was zeigen.«
Karsten ließ die Tüte mit den frischen Brötchen auf den Küchentresen fallen. »Muss das sein?«
»Wir sind auch schnell wieder da.«
Karsten trabte neben Naomi her und atmete schwer ein und aus. »Du hast die letzten Wochen wohl gar nichts für dich getan, richtig? Außer natürlich leckeren Wein zu trinken, spanische Tapas zu essen und mit den südländischen Se ñoritas zu flirten .«
Karsten nickte nur mit dem Kopf. »Ertappt!«
Naomi lachte und hüpfte über eine Wurzel. Eigentlich müsste sie schon längst an der Lichtung mit der alten Ulme angelangt sein. Sie lief voraus, blieb stehen und sah sich um.
Karsten holte sie ein und stützte die Hände auf die Knie. »Es ist zwar schön hier, aber was zum Teufel willst du mir zeigen? Und was noch wichtiger ist, wie lange müssen wir hier noch wie die Hasen Haken schlagen?« Er beobachtete, wie Naomi von links nach rechts sah, sich um die eigene Achse drehte, um sich zu orientieren. »Du hast keinen blassen Schimmer, wo wir sind.«
»Doch habe ich.« Naomi verstand nicht, warum sie die Lichtung nicht fand. Sie hatte sich noch nie im Wald verlaufen. »Wir sind gleich da«, behauptete sie. Sie lief nach Osten, damit kämen sie wenigstens in die Nähe des Stillwater Rivers, der nah bei der Lichtung lag. Vielleicht fand sie auf diese Weise den Weg. Naomi stöhnte innerlich auf, als sie nach weiteren zwanzig Minuten am Flussufer standen. In sanfte Dunstschleier gehüllt, lag die Brücke rechter Hand in Sichtweite. Sie waren im Kreis gelaufen. Der Blick auf den Fluss war zauberhaft, aber es war nicht die Lichtung, die sie Karsten eigentlich hatte zeigen wollen. Um ihren Fehler nicht zugeben zu müssen, streckte sie triumphierend den Arm aus und zeigte auf die alte Hängebrücke.
Karsten reckte den Hals. »Du willst mich verscheißern, oder?« Er drehte sich zu ihr um. »Über genau diese Brücke sind wir vorher gelaufen. Jetzt sind wir vielleicht dreihundert Meter davon entfernt. Dafür jagst du mich eine Stunde durch den Wald? Gib´s endlich zu. Du hast dich
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