Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
Kekse hervor. »Das muss reichen. Wir sollten nicht zu oft miteinander gesehen werden. Also fahren wir einfach raus aus der Stadt.«
Naomi griff nach den Keksen. »Wie du meinst.« In ihrer Stimme lag ein widerwilliger Tonfall.
Kai brummte nur. Schweigend fuhren sie dreißig Minuten in Richtung Norden. Naomi kannte die Gegend nicht, und es war ihr auch egal. Hauptsache, er würde ihr seine Geschichte erzählen. Auf einem kleinen Kiesweg, abseits der Hauptstraße, stellte er den Wagen ab. »Lass uns ein Stück gehen. Ich brauche Bewegung.«
Naomi stieg aus. Die Kekspackung nahm sie mit. Kai steckte zwei Flaschen Wasser in seine Jackentasche. »Ist mit Roman alles okay?«
Naomi nickte. »Ich soll nur zum Arzt gehen. Alice und mein Trainer drängen auch dazu. Diese Woche fahre ich nach Bangor. Danach sollten alle zufrieden sein. Alice geht übrigens nach Barcelona. Damit ist meine Ausrede für den nächsten Vollmond beim Teufel. Ich muss mir für Roman noch etwas ausdenken. Aber es ist ja noch Zeit.«
Sie gingen schweigend einige Schritte. Naomi sah, wie Kai nervös auf seine Lippen biss. Naomi hakte sich bei ihm unter. »Du wolltest mir deine Geschichte erzählen.«
Kai seufzte und verlangsamte seine Schritte. Zögernd begann er zu erzählen. Alles lag sieben Jahre zurück. Er war etwa in Naomis Alter gewesen. Naomi hob die Augenbrauen. Vor sieben Jahren? Dann wäre er ja höchstens achtundzwanzig. Kai sah viel älter aus. Sie hatte ihn auf mitte Dreißig geschätzt.
Kai musste ihren überraschten Gesichtsausdruck gesehen haben. »Ich sehe älter aus, als ich bin. Zu viele Sorgen.« Zu dieser Zeit lebte er in Arlington. Dort lernte er Cassidy kennen. »Ich habe mich sofort in sie verliebt. Ein Blick hatte genügt. Erst habe ich es gar nicht gemerkt, sie ging mir nur nicht mehr aus dem Kopf. Ich hatte zwar gewusst, dass wir uns nur ein einziges Mal verlieben, aber geglaubt habe ich es nicht. Es gab immer irgendein Mädchen, das mir gefiel, aber nie war es so gewesen, dass ich das Mädchen nicht mehr aus meinen Gedanken vertreiben konnte. Mit Cassidy war alles anders. Wir verliebten uns und hatten viel Spaß. An den Vollmonden schob ich Elternbesuche vor, manchmal auch irgendwelche Lehrgänge. Cassidy vertraute mir. Ich traf mich mit Jean und anderen im Wald. Jean achtete auf mich. Damals war ich noch sehr unerfahren. Sie trainierte mich, und warnte mich vor dem feindlichen Clan. Jean versuchte mir klar zu machen, dass ich Cassidy verlassen müsse. Wenn nicht, würde sie sterben. Ich machte mir nichts aus ihren Warnungen, bis sich die Unfälle häuften. Jemand hatte es auf Cassidy abgesehen. Cassidy ist begeisterte Free Climberin. Einmal stürzte sie beinahe ab. Es war ein Wunder, dass Cassidy sich verfing. Sie krallte ihre Finger in eine Felsspalte und konnte sich festhalten, bis auch ihre Beine irgendwo Halt fanden. Die Kontrolle des Seils ergab, dass es angeschnitten worden war. Ein anderes Mal versuchte jemand, sie mit dem Wagen von der Straße zu drängen, als sie mit dem Rad unterwegs war. Eine Woche später stieß sie jemand im Dunkeln die Treppe hinunter.«
Naomi schnürte es die Kehle zu. Sie wusste, worauf Kai hinaus wollte. Er hatte es bei ihrem ersten Treffen schon angedeutet. Nun wollte er ihr das Ausmaß der Bedrohung darlegen. »Weißt du, wer dahinter steckte?«
Kai nickte. »Sammy. Mit einem Freund.«
Deswegen hatte Kai Sammy einen Mörder genannt. Ihr Verstand weigerte sich immer noch zu glauben, dass Sammy tatsächlich dazu fähig war, jemanden zu töten. »Jean hatte vollkommen Recht. Ich brachte Cassidy in Lebensgefahr. Also habe ich sie verlassen. Eines Nachts gab ich ihr den Kuss des Vergessens und verschwand. Jean achtete auf Cassidy. Sie hielt mich auf dem Laufenden. Für mich war es schrecklich zu hören, dass es funktioniert hatte. Ich hatte tatsächlich Cassidys Gefühle für mich ausgelöscht. Sie ging mit anderen Jungs aus, amüsierte sich und schien mich einfach vergessen zu haben. Ich konnte sie aber nicht vergessen. Es verging kein Tag, an dem ich nicht an sie dachte. Je mehr Zeit verging, desto schmerzhafter war der Verlust.«
Naomi würgte kurz, bevor sie etwas sagen konnte. »Weißt du, wie es ihr geht?«
Kai ließ ihre Frage unbeantwortet. »Ich verließ Arlington und zog die letzten Jahre quer durch die Bundesstaaten Vermont, Pennsylvania und New Hampshire, bis ich vor drei Monaten in Maine landete. Ich traute meinen Augen kaum, als ich Cassidy in einem Supermarkt über
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