Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
Marktplatz. Erst seitdem sich zwei Gesellschaften den Markt teilen, ist ständig Ärger. Das letzte Nacht war bisher der Gipfel. Man könnte wirklich meinen, dass da eine Taktik hintersteckt. Nicht auszudenken, wohin das noch eskaliert. Aber was hat das mit dem Professor zu tun?«
»Der Professor war den Drahtziehern vermutlich zu nahe gekommen.«
»Sie meinen ... dass das kein Unfalltod war?«
Ich zuckte mit denS chultern. »DieStaatsanwaltschaft hat keine Untersuchung angeordnet.«
»Ha, wenn ich das schon höre. Hier sind alle so schwarz, dass man schon lange nicht mehr sieht, wer mit wem unter welcher Decke steckt. Es fehlt nicht mehr viel, dann taucht hier die Polizei als Schutzgeldkassierer auf und stellt dafür noch Spendenbescheinigungen aus ... aber ich weiß immer noch nicht, was Sie von mir wollen.«
»Nichts mehr. Danke. Sie haben mir schon sehr geholfen.«
Ich nutzte ihr Erstaunen und verabschiedete mich.
»Nennen Sie bloß nicht meinen Namen ...«, rief sie hinterher.
Es war noch zu früh, um in die Pension zurückzukehren, und ich hatte auch keine Lust, mich noch mit jemandem zu unterhalten. Ein kleines Lokal in der Altstadt schien mir der rechte Platz zu sein, um meine Gedanken zu ordnen.
In der engen Gasse hatten nur wenige Stühle und Tische vor dem HausPlatz, und die Passanten mussten einspurig an den Gästen vorbei. Die Plätze waren spärlich mit jungen Leuten besetzt.
Nachdem ich bestellt und mir die Tageszeitung vom Wirt geholt hatte, genoss ich die letzten Sonnenstrahlen, die es noch schafften, in die Gasse zu fallen.
Ziellos blätterte ich in der Zeitung. Unter »Lokales« erregte eine Überschrift meine Aufmerksamkeit.
Tod von Professor S. doch kein Unfall?
Der Straßenbahnfahrer des Unglückszuges sagte aus, dass er glaubt, gesehen zu haben, dass Prof. S. von einer hinter ihm stehenden Person vom Gehweg direkt vor die fahrende Bahn gestoßen wurde. Die Staatsanwaltschaft verweigerte der Redaktion jede Auskunft. Der behandelnde Arzt verwies darauf, dass der Fahrer immer noch unter Schock stehe und demnach dieser Aussage zum jetzigen Zeitpunkt keine Bedeutung beizumessen sei.
Es gab also doch noch couragierte Lokalreporter.
Im Todesanzeigenteil fand ich eine Ehrung des Münsterchors für den Professor. Auch Gersters Name war darunter. Dieser Mann schien einige Interessen zu haben.
Solvay, Gerda. Ich war mir nicht schlüssig, wasi ch von ihrem Angebot – es waren ja eigentlich zwei, diea uf dasselbe hinausliefen – halten sollte. Der eingefleischte Junggeselle in mir hatte alle Ampeln auf rot gestellt, der Journalist signalisierte gelb-grün.
Das war eine Entscheidung, der ich bisher immer erfolgreich aus dem Weg gegangen war. Was überwog mehr? Meine Neugier oder die Angst von einer wenn auch kleinen Familie vereinnahmt zu werden?
Gewiss, Gerda war eine gut aussehende Frau und absolut nicht dumm. Aber zu jung für dich, gab ich mir selbst das Argument contra.
Eben, weil sie so jung ist, stellt sie keine Gefahr da, meinte mein anderes Ich.
Das ist doch alles Blödsinn, meinten beide. Die Gefahr ist doch gleich null. Du hast einen Job, der hunderte von Kilometern weit weg ist. In ein paar Tagen erinnerst du dich kaum noch an ihren Namen.
»Wenn ihr meint«, brummte ich vor mich hin und beschloss, noch mal das Lokal aufzusuchen, das die Stammkneipe der Journalisten von gestern zu sein schien.
Es wurden wieder feuchtfröhliche Stunden. Heute wurde der Sieg des Reporters über den Chefredakteur gefeiert.
»Nur Scheiße, dass der Bahnfahrer kurz darauf auf eine geschlossene Station verlegt worden ist. Aber gleichzeitig ein Beweis. Die haben doch alle Dreck am ... wie nennt man das Ding noch?«
Bevor der Alkohol wieder ähnliche Wirkungen auch bei mir zeigte, verabschiedete ich mich noch vor Mitternacht.
In der Pension wartete Frau Gerster auf mich.
»Jesses, wo stecken Sie denn? Sie sollen schon seit Stunden eine Frau Solvay zurückrufen.«
Vorher bestellte ich mir ein Bier und einen dieser Rachenputzer von Herrn Gerster und versuchte mir die Antworten auf die Fragen zurechtzulegen, wie ich mich entschieden hatte.
»Gerd? Mein Gott. Ich sitze hier auf Kohlen, Sie müssen möglichst sofort vorbeikommen. Bitte.«
Die Situation spitzte sich schneller zu, als ich gedacht hatte. Die Gegenseite begann Nerven und Flagge zu zeigen.
Kurz nach Mitternacht war ich bei ihr.
»Der Artikel macht jemand nervös«, war alles, was ich zu dem Schreiben des
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