Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters

Titel: Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hef Buthe , luebbe digital
Vom Netzwerk:
muss jetzt nach Hause. Sonst wird Mami stinkig. Wie spät ist es?«
    Es war schon vier Uhr. Lag es an der herzerfrischenden Art des Kindes oder an meinem Alter, dass die Zeit verflog? Ich würde mir darüber ein anderes Mal Gedanken machen.
    Ich nahm ein Taxi und setzte Lisa vor ihrer Haustür ab.
    »Stark«, grinste sie beim Aussteigen. »Jetzt hängen sie alle hinter den Gardinen und zerreißen sich die Mäuler, wie ich mir ein Taxi leisten kann.«

8

    Diesmal vergaß ich nicht, das Taxi anzuweisen, so lange auf mich zu warten.
    Otto fand ich im Schuppen hinter dem Schweinestall. Er hatte einen zweirädrigen Handkarren auf die Seite gelegt und setzte ein Rad auf die Achse.
    »Was treibt Sie schon wieder her?«, knurzte er mich von unten an.
    »Wird das Ihr neues Transportmittel?«, umging ich seine Frage.
    Er nickte. »Hat nicht so viel Platz, ist aber luftbereift, wie Sie sehen. Fortschritt aus Mangel.« Ein krächzender Husten folgte, und er winkte mir, das Ding auf die Beine zu stellen.
    Seine Lungen rasselten, und es dauerte geraume Zeit, bis er wieder halbwegs atmete.
    »Das hört sich nicht gut an«, diagnostizierte ich.
    »Was wissen Sie schon! Was wollen Sie?«, murrte er.
    Ich hielt einen Plastiksack hoch. »Kiwi?«
    »Zwei?«
    »Nein, sechs Stück.«
    »Blödsinn«, seine Stimme wurde böse, »Überfluss tötet die Einzigartigkeit. Nehmen Sie vier wieder mit.«
    »Sie enthalten die meisten Vitamine«, versuchte ich mich zu rechtfertigen, wohlwissend, dass es nur meine Hilflosigkeit war, die das gesagt hatte.
    »Vitamine, bäh! Esse ich schon mein ganzes Leben mehr als genug. Hat nichts geholfen, wie jeder sehen kann.«
    Er ließ mich stehen und stakte ins Haus.
    Ich ging ihm nach. Als ich eintrat, saß er bereits am Tisch und starrte vor sich hin. Die Kiwi-Häute lagen noch an ihrem Platz.
    »Wer hat Sie aus dem Münster auf die Straße gestoßen?«, fragte ich ohne Vorwarnung.
    Sein Gesicht verdüsterte sich, und als ob es seine Erinnerung zurückbringen würde, kratzte er an dem Pflaster auf der Stirn.
    »Warum wollen Sie das immer noch wissen? Das bringt doch nichts.«
    Ich erklärte ihm, dass ich nach Hintergründen für den Tod des Professors suchte.
    »So, so. Journalist sind Sie. Ein Schnüffler also ... wenn’s Ihnen hilft, Gottes Helfer persönlich hat mich hinausgeworfen.«
    »Wen meinen Sie damit?«
    »Ihr Taxi wartet. Finden Sie es selbst heraus. Ist doch Ihr Beruf. Oder?«
    Mit der schnippischen Bemerkung »Nicht alle auf einmal essen!« legte ich die Kiwi-Tüte auf den Tisch und ließ mich in die Pension fahren.
 
    »Kommen Sie mit Ihrer Story weiter?«, empfing mich Gerster, der früher als üblich zu Hause war.
    »Mit welcher?«
    »Lassen wir den Professor ruhen. Er hat alles mit ins Grab genommen. Die Lebenden geben mehr her.« Damit wandte er sich wieder seinen Rosen zu, die an der Hauswand emporkletterten.
    »Waren Sie auf der Beerdigung?«
    »Ja. War sehr schön und erhebend. Sogar der Bürgermeister hat eine Ansprache gehalten.«
    »Der Erzbischof war nicht zufällig auch da?«
    Er hielt beim Schneiden inne. »Nein. Was sollte der da. Das macht der Stadtpfarrer.«
    »Schön und erhebend«, sinnierte ich, während ich mich umzog. Was fanden die Menschen bloß an einer Beerdigung »schön«? Trauer, Betroffenheit wäre angebracht, aber es war Voyeurismus, Sensationslust an einem Spektakel, bei dem man (noch) nicht selbst beteiligt war.
 
    Ich brauchte Ablenkung und hatte beschlossen, ins Theater zu gehen. Molière war immer gut. Vielleicht ergab sich im Anschluss bei einem Kneipenbummel dies oder das.
    Es ergab sich.
    An der Theke eines kuscheligen Altstadt-Lokals lauschte ich dem Gespräch dreier jüngerer Männer. Wie es sich anhörte, waren sie Kollegen meiner Zunft bei der hiesigen Zeitung. Das Thema waren die Verhältnisse der Münster-Gaststätten und der Professor.
    Ich hörte zwei Bier lang zu und stellte mich dann vor. Ihre Neugier war, wie es sich für Journalisten gehörte: woher, warum, wieso? Nachdem sie mich ausreichend beschnüffelt und als einen der ihren akzeptiert hatten, entspann sich ein Gespräch nach meinem Herzen.
    Nach einer saftigen Rechnung – die drei hatten meinen Altersunterschied, meine höhere Position bei einer überregionalen Zeitung und meine Einladung weidlich ausgenutzt – kam ich weit nach Mitternacht etwas alkoholisiert in die Pension zurück.
    Frau Gerster war immer noch oder schon wieder im Gastraum zugange.
    »Jemine! Wo kommen Sie denn

Weitere Kostenlose Bücher