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Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters

Titel: Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hef Buthe , luebbe digital
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Veränderung im Familienleben wohl mitbekommen. Als wir gegen Mittag das Bett verließen, war der Frühstückstisch gedeckt.
    »Hoppla«, schmunzelte Gerda. »Das sind aber Annäherungsversuche, die kenne ich ja noch gar nicht.«
    »Und ich dachte, die Vererbung überspringt immer eine Generation«, frotzelte ich, wurde dann aber ernst. »Wie geht das denn jetzt mit euch weiter?«, schnitt ich ein Thema an, welches ich bislang tunlichst vermieden hatte.
    Sie stützte den Kopf in die Hände.
    »Gute Frage. Bisher haben wir von und für Vater gelebt. Aber eine Witwenrente ist wohl nicht. Werde versuchen, einen Job als Übersetzerin zu bekommen oder vielleicht als Reiseführerin. Ich habe früher mal in Italien gearbeitet.«
    »Kennst du dich mit Computern aus?«
    »Ich denke schon. Wenn ich was wissen will, gehe ich in die Uni. Aber Vater wollte keinen im Haus. Alles, wasj ünger war als eine hundertjährige Orgel, war ihm suspekt. Versaut nur die Jugend, war seine Einstellung.«
    »Und Lisa geht zu einer Freundin, um unkontrolliert Peng-Bum-Spiele zu machen«, sinnierte ich laut.
    Gerda zuckte mit den Schultern und räumte den Tisch ab.
 
    Den frühen Nachmittag verbrachte ich damit, etwas einzukaufen und die Gersters zu überzeugen, dass es nicht an ihnen lag, dass ich das Domizil wechselte. Ganzwohl war mir nicht bei dem Gedanken, unversehens Familienoberhaupt spielen zu müssen, auch wenn es nur auf Zeit war.
    Otto saß auf der Ofenbank und sortierte die Beute vom Markt.
    »Tag, Schnüffler«, begrüßte er mich und streckte die Hand nach der Tüte aus, in der ich die Kiwi hielt. »Schon wieder zu viel«, murrte er.
    »Zwei für gestern, zwei für heute und drei für Sonntag«, rechtfertigte ich die ungrade Zahl.
    »So, an Sonntagen gibt’s drei. Und an Feiertagen?«
    »Was war mit dem dicken Wirt?«, versuchte ich von diesem Spielchen abzulenken.
    »He ...«, krächzte er und versuchte einen Hustenanfall zu unterdrücken, »dem Schmutzfink hat das Gesundheitsamt die Küche zugemacht. Soll vor Kakerlaken nur so gewimmelt haben.«
    »Kann ich mir nicht vorstellen. Das Lokal machte einen sehr sauberen Eindruck.«
    Otto lutschte eine Freitags-Kiwi, wobei ihm der Saft zwischen die Finger rann. »Was nutzt das, wenn der Nachbar eine schmutzige Gesinnung hat?«
    »Da hat also jemand nachgeholfen?«
    Er fixierte mich von der Höhe der Tischplatte. »Sie lernen schnell. Auch deshalb habe ich Sie kommen lassen.«
    Er kramte in seinem zerfledderten Kittel und holte eine kleine Plastiktüte hervor.
    »Können Sie sich vorstellen, für Lisa Verantwortung zu übernehmen?«
    Eine seltsame Frage von einem Menschen, der sich selbst freiwillig oder gezwungenermaßen außerhalb der menschlichen Gesellschaft stellte.
    »Kann ich nicht sagen.«
    »Sie wollen nicht. Lisa ist ein sehr wertvoller Mensch und steckt voller Talente, die gefördert werden müssen.«
    Sein Ton war bestimmend, fast herrisch. Er schob mir das Tütchen hin, ließ aber seine verklebte Hand darauf liegen.
    »Wenn ich nicht mehr bin, dann müssen Sie etwas für mich tun.« Er zog die Hand zurück. »Nehmen Sie diesen Schlüssel, und verlieren sie ihn ja nicht, und erzählen Sie auch keinem davon!«
    »Ich bin nur noch ein paar Tage hier ...«, versuchte ich mich aus der Verantwortung zu winden.
    »Ich auch.« Seine Augen strahlten, als stünde sein Ableben auf die Minute fest.
    Ich steckte das klebrige Päckchen ein. »Und was mache ich damit, wenn Sie ... na ja, nicht mehr hier sind?«
    Ein Lächeln huschte über sein unrasiertes Gesicht, und er begann die zweite Freitags-Kiwi auszusaugen.
    »Man wird es Ihnen mitteilen«, schmatzte er, »bleiben Sie so lange in der Stadt.«
    »Das kann ich nicht garantieren ...«
    »Sollten Sie aber. Es dauert wirklich nicht mehr lange. Wollen Sie eine Geschichte oder nicht?«
    »Wie viele Kiwis glauben Sie noch essen zu können?«, versuchte ich eine Zeiteinschätzung.
    »So viel, wie hineingehen.«
    Damit war für mich die Sprechzeit beendet. Mit einer Handbewegung bedeute er mir, dass ich gehen sollte.
    Aus diesem Mann wurde ich nicht schlau. Einerseits konnte ich nicht anders, als Mitleid zu empfinden, andererseits würgte er jeden Versuch meinerseits ab, näher als ein paar Kiwis an ihn heranzukommen. Er schien sich keinerlei Illusionen über seinen Zustand zu machen. War es Stolz oder Trotz, die ihn so ruhig in seinen letzten Kampf führten?
 
    »Hat jemand Geburtstag?«, empfing mich Gerda, als sie mir die Tür öffnete

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