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Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters

Titel: Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hef Buthe , luebbe digital
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dem Finger auf mich. »Oh, oh, Herr Schlaumeier. Ich besaufe mich, wann es mir passt und wenn ich Geld habe. Und ich habe gaaanz viel Geld.« Sie zog ein Bündel Scheine aus der Tasche, die wie kleine Gleitschirme zu Boden segelten.
    »Ist es das, was du als ›persönlich‹ von deinem Vater in der Orgel gefunden hast?«
    Wir krochen beide auf dem Boden umher, um die Banknoten wieder einzusammeln.
    »Sehr richtig. Sehr viel Persönliches«, lallte sie.
    Soviel ich hatte erkennen können, handelte es sich um eine erkleckliche Summe. Alles Zweihunderter-Scheine.
    »Judaslohn«, tönte es über uns.
    Ich zog Gerda hoch und deponierte sie auf einem Stuhl.
    »Was machen Sie denn hier, Pater Lutz?«
    Es war mir in meiner Praxis selten vorgekommen, dass mir die Worte fehlten. Aber den Pater hier zu finden beraubte mich für Sekunden meines ganzen Sprachvermögens.
    Er genoss die Überraschung. »Als gebildeter Mensch sollten Sie wissen, wer die Braukunst nach dem deutschen Reinheitsgebot erfunden hat. Mein Orden. So, und jetzt sammeln Sie Frau Solvay ein und machen, dass Sie nach Hause kommen. Dort tut sich was.«
    Wie er gekommen war, verschwand er im Nichts.
    »Hast du denen die Sachen gegeben?«, murmelte Gerda an meiner Schulter und schlief ein.
 
    Als wir die Wohnung erreichten, begann mein ganzes Gerüst von Vermutungen und Ahnungen wie eine
    Sandburg am Strand unter dem Einfluss der brandenden Wellen zu bröckeln.
    Die Tür war nur angelehnt, die Wohnung verwüstet.
    Pater Lutz hatte es gewusst. Woher? Gerda war schlagartig nüchtern und begann mit der Bestandsaufnahme.
    »Woher wusstest du, wo ich war?«, fragte sie und setzte die Möbel wieder an ihren Platz.
    »Du hast mir einen Zettel auf den Küchentisch ...«
    »Ich habe nichts dergleichen ... und wo ist der?«
    Es lag kein Zettel mehr auf dem Tisch.
    »Bist du betrunken oder ich?«
    Die Frage stellte ich mir auch, war aber froh, den Laptop mitgenommen zu haben.
    »Fehlt was?«, fragte ich nach einer Stunde.
    »Ja. Dein Zettel – und der Stammbaum.«
    »Sonst nichts?«
    »Sieht nicht so aus.«
    »Warum hast du nicht die Polizei gerufen? Die hätten vielleicht Fingerabdrücke finden können.«
    »Spinnst du? Was hätte ich denen sagen sollen? Dass jemand Unterlagen sucht, die mein Vater gestohlen hat? Nein, danke.«
    Die ganze Situation wurde immer verworrener. Je näher ich glaubte einer Lösung gekommen zu sein, umso radikaler änderten der oder die Unbekannten die Richtung.
    Es gab keinen Grund, an der Aussage des Advokaten zu zweifeln, aber auch keinen, die Kirche als Täter zu verdächtigen. Trotzdem bestand eine Verbindung zwischen beiden. Nur welche?

15

    Nach dem Frühstück rief Pater Lutz an und bat um ein Treffen. Er war kurz angebunden, als wolle er vermeiden, dass jemand zuhören konnte. Ich sollte in einer Stunde auf der Orgelempore sein.
    Der Münsterplatz lag in einem tristen Grau. Der Regen peitschte wie an jenem Tag, als ich dem Professor begegnet war.
    Das Kirchenschiff wirkte wieder wie ein Walfischbauch. Pater Lutz hatte im Dunkel des Glockenturm-Aufgangs gewartet und schob mich die Stiege zur Orgel hinauf. Die eichene Tür verschloss er mit einem schweren Schlüssel hinter uns.
    »Jetzt sind wir ungestört«, murmelte er.
    Er nahm am Spieltisch Platz und bot mir den Stuhl an, auf dem ich schon zweimal gesessen hatte.
    »Spielen Sie Orgel?«, versuchte ich das Gespräch einzuleiten.
    »Nicht jeder, der der Kirche dient, spielt Orgel. Nein. Ich bin nicht sehr musikalisch.« Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
    »Woher wussten Sie das von gestern Abend?«
    »Beichtgeheimnis«, wiegelte er ab. »Ist viel passiert?«
    Ich schüttelte den Kopf, hatte aber keine Lust, in Details zu gehen.
    »Na schön«, nickte er zufrieden. »Dieses Verschwinden der Doktorarbeit hat mir keine Ruhe gelassen. Da ich noch ungefähr wusste, was sie beinhaltete, habe ich meine eigenen Recherchen angestellt. Dazu müssen Sie wissen, dass mein Orden zu der fraglichen Zeit in Italien und Spanien von 1773 bis 1814 aufgehoben – sprich: verboten – war. Viele meiner Brüder mussten nach Russland und Preußen flüchten, wo sie ab 1872ebenfalls verboten und verfolgt wurden. Einige sind seinerzeit, wie man heute sagen würde, im Habsburgischen untergetaucht und haben die Geschichte abseits der offiziellen Kirchengeschichte fortgeschrieben. Sie waren als Lehrer, Ärzte, aber auch als Anwälte tätig. Sie versorgten ihre im Exil lebenden Glaubensbrüder mit

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