Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
ein.
»Als Jurist weiß er, dass alles überprüft wird, was er sagt. Er muss nur was sagen. Dazu ist ein Interview ein gutes Druckmittel. Entweder er spuckt was aus, mit dem man etwas anfangen kann, oder er läuft – theoretisch
– Gefahr, dass ich ihn mit Vermutungen ins falsche Licht setze.« Gerda schüttelte den Kopf. »Das geht schief, da wette ich. Ich sage nochmal, lass die Finger davon.«
16
»Sie haben wirklich Mut«, empfing mich der Doktor in seinem Büro. »Das gefällt mir. Wollen Sie nicht für mich arbeiten?«
»Was könnte ich für Sie tun?«, fing ich den Ball auf.
Er wies mir einen Stuhl an, der genau im Brennpunkt zweier Spiegelvitrinen stand, die das einfallende Sonnenlicht auf diesen Punkt reflektierten.
»Oh, Entschuldigung. Das blendet, glaube ich. So können Sie ja nicht schreiben.«
Mit gespieltem Bedauern ließ er eine Jalousie herab.
»Wir waren uns einig, dass ich die Originale erhalte, wenn ich Ihren Artikel vor der Veröffentlichung abgesegnet habe. Bleibt es dabei?«
Obwohl sich kaum ein Journalist auf solch ein Ansinnen einlassen würde, hatte ich eingewilligt, um überhaupt Informationen von ihm zu bekommen. Ob der Artikel dann jemals in Druck gehen würde, stand in den Sternen und meinem Ermessen.
»Nun, Sie könnten für mich und meinen Klienten weiter ermitteln«, knüpfte er an sein Angebot an. »Sie scheinen da ja schon einige Fortschritte gemacht zu haben. Mein Klient zahlt gut.«
»Dazu müsste ich wissen, wonach zu suchen ist.«
»Wenn Sie es nicht wissen, wer dann?«, lächelte er süffisant. »Also los, stellen Sie Ihre Fragen. Ich habe wenig Zeit.«
Ich stellte mein kleines Aufnahmegerät zwischen uns.
»Wird das ein Verhör? Schalten Sie das Ding aus.« Angewidert zeigte er auf den leise surrenden Recorder.
»Wie Sie wollen.« Ich steckte das Gerät in die Brusttasche, ließ es aber weiterlaufen.
»Fassen Sie die Fragen zusammen, damit ich weiß, worauf Sie hinauswollen«, drängte er ungehalten.
Umständlich suchte ich nach meinem Notizbuch.
»Warum ist dieser ... na ja, Buchungsfehler gerade bei Ihnen aufgetreten? Die Bank hat doch noch ein paar andere Kunden. Was bedeutet dieser finanzielle Verlust für Sie? Haben Sie Feinde, die etwas dagegen haben, dass Sie die Gastronomie am Münster umgestalten wollen, und warum sucht Ihr Mandant Urkunden, die schon ein Menschenleben gekostet haben? Was haben die Familienverhältnisse Ihrer Frau damit zu tun, und wie sind Sie ausgerechnet auf Professor Solvay gekommen?«
Simonte hatte sich die Fragen stichwortartig notiert. Zischend stieß er Luft durch die Zähne.
»Ein bisschen viel, finden Sie nicht? Und weit ab von dem, was wir vereinbart hatten.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Wollen Sie oder nicht?«
Er zog die Augenbrauen wie liegende Fragezeichen hoch, unschlüssig, ob ich zu meiner Drohung stehen würde oder nicht.
»Sie meinen also, wenn ich die Fragen nicht beantworte, dann tun Sie das für mich?«, versuchte er meine Einstellung auszuloten.
»Nein, das meine ich nicht. Ich weiß es«, lächelte ich.
Er zündete sich ein Zigarillo an und blies den Rauch an die Decke. »Lassen Sie mich Ihre letzte Frage mit einer Gegenfrage beantworten. Sie wohnen doch zurzeit bei Frau Solvay. Hat sie Ihnen nicht erzählt, durch wen ich Professor Solvay kennen gelernt habe?«
Gib ja keinen Laut von dir. Warte ab, flüsterte mein Kobold.
Ich setzte einen desinteressierten Blick auf und wartete.
»Nun gut. Keine Antwort ist auch eine. Ich lernte den Professor durch Lisas Vater kennen.«
Er umrundete den Schreibtisch und betrachtete mich von oben wie ein unbekanntes Insekt.
»Nein. Gerda hat Ihnen nichts erzählt«, stellte er zufrieden fest. »Enrico war einer meiner Pächter auf dem Münsterplatz. Ein schlaues Kerlchen, zu schlau für sein Alter.«
»Was heißt ›war‹? Ist er tot?«
Er lachte gekünstelt. »Nein, er hat bei Nacht und Nebel alles mitgehen lassen, was nach Geld roch. Gerda hat noch versucht, einen Teil seiner Schulden mit Hilfe des Professors zu begleichen. Aber das reichte nicht. So lernte ich Herrn Solvay zwangsweise geschäftlich kennen.«
»Aha, und das nehmen Sie als Anlass, Frau Solvay unter Druck zu setzen.«
»›Unter Druck‹ kann man das wohl nicht nennen«, reagierte er überraschend schnell und sicher. »Sie ist mir noch etwas schuldig. Aber das ist unsere Privatsache. Kommen wir zu dieser leidigen Bankangelegenheit«, versuchte er umzuschwenken.
»Moment, es ist ja
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