Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
schlecht warst du heute nicht, tröstete ich mich, nachdem ich telefoniert und einen Platz im Café Hofmann gefunden hatte, von dem ich das Ordinariat im Auge behalten konnte.
Dr. Simonte war zwar immer weniger einzuordnen, aber ich war mir inzwischen sicher, dass Gerda ein falsches Spiel trieb.
Es dauerte eine Stunde, bis Gerster wieder das Gebäude verließ. Ich folgte ihm die paar hundert Meter durch die Altstadt bis zum Parkhaus, das in östlicher Richtung das Einfalltor zur Stadt für die mobilisierte Gesellschaft bildete. Als er das Parkdeck betrat, öffnete er den Wagen mit der Fernbedienung, was mir eine Sekunde Vorsprung verschaffte, um vor ihm im Auto zu sitzen, hinter dem ich mich geduckt hatte.
»Wa ... was machen Sie in meinem Wagen?«, stotterte er.
»Ihrem Wagen? Sie haben zwar den Schlüssel. Aber den Fahrzeugbrief hat doch wohl die Sparkasse.«
Werde nicht arrogant. Du willst was von ihm, pfiff mein Kobold mich zurück.
»Fahren wir?«
»Wohin?«
»Zu Ihrer Frau, damit sie bestätigen kann, dass Sie sehr wohl Latein können und wussten, wonach Professor Solvay suchte. Soll ich Ihnen noch etwas über Ihre Verbindungen zum Sparkassendirektor erzählen?«
»Hören Sie auf«, knurrte er und schlug auf das Lenkrad ein.
»Erzählen Sie mir doch einfach, was ich wissen will. Vielleicht kann ich Ihnen aus Ihrer Scheiße helfen, so als Berater.«
»Berater!«, murrte er abfällig und startete den Motor.
Nachdem wir das Parkhaus verlassen hatten, fuhr er in nördliche Richtung aus der Stadt.
»Wohin wollen wir?«
»Wohin? Zur Wahrheit. Welche wollen Sie wissen? Meine, die der Solvays, die Simontes, der Kirche oder der Bank? Oder sind Sie nur an dem interessiert, was sich drucken lässt? Hören Sie, es gibt in diesem Fall – und es ist ein Fall – mehr Wahrheiten, als dieses Wort ertragen kann.«
Er schob eine CD in den Radioschacht und drehte die Lautstärke hoch. Die »Moldau« von Smetana begleitete uns aus der Stadt, einen Waldweg und dann eine Art Trampelpfad oberhalb der Waldgrenze hinauf.
Als die Moldau musikalisch die Elbe erreichte, hielt Gerster neben einer Hütte, die sich mit einem Natursteinfundament gegen den Berg abstützte.
»Mein Refugium, wenn mir die Stadt auf die Nerven geht«, brummte er und öffnete zwei schwere Ringschlösser, die mit einem Stück Autoreifen gegen die Witterung geschützt waren.
Während er die hölzernen Klappläden vor den Fenstern öffnete, genoss ich die Aussicht, die sich von hier über den südlichen Schwarzwald bot.
»Ich hatte es Ihnen ja angeboten«, rief er. »Aber kommen Sie, ich will Ihnen was zeigen.«
Die Hütte hatte nur einen Raum, der sehr gemütlich im Landesstil eingerichtet war. Ein großer Tisch für zehn Personen mit einer Eckbank, ein gusseiserner Ofen, Regale, in denen sich bunt bemaltes Geschirr stapelte, ein alter Bauernschrank mit Butzenscheiben für Gläser und Krüge, zwei mit rot-weißen Karos bezogene Betten.
Er bückte sich und fuhr mit einem Klappmesser die Fuge eines Bodenpaneels entlang. Ein etwa Quadratmeter großes Stück Fußboden sprang auf.
Fünf steinerne Stufen führten in einen Raum hinab, in dem sich nur Otto hätte aufrecht bewegen können. Gerster schaltete eine Taschenlampe an, die von der Decke baumelte.
»Mein Vorratsraum und Versteck für Sachen, die ich gerne aus meinem Leben streichen würde.«
Gemeinsam stemmten wir eine Stahlkassette in den Wohnraum.
»So, hier ist meine Wahrheit.« Nachdem er den Behälter mit zwei Tresorschlüsseln geöffnet hatte, breitete er drei prall gefüllte Schnellhefter und mehrere Mappen mit einer Loseblattsammlung auf dem Tisch aus.
»Wollen Sie es kompliziert und sich selbst einlesen oder einfach? Dann erzähle ich Ihnen die Geschichte, und Sie können sich anhand der Unterlagen überzeugen, dass ich die Wahrheit sage.«
In Anbetracht der Papiermenge entschied ich mich für die einfachere Variante.
»Nun gut. Aber das wird eine trockene Angelegenheit.«
Er zog aus der Feuerstelle des Ofens zwei Flaschen Bier und sein selbst gebranntes Teufelszeug.
»Es begann alles vor etwa zwei Jahren mit meinem Umbau«, hob er an, während er uns einschenkte. »Wir hatten uns bei der Finanzierung falsche Vorstellungen gemacht und bekamen bald Ärger mit der Sparkasse.« Er zog den ersten Ordner vor. »Hier ist der ganze Schriftwechsel.«
Ich blätterte kurz durch. Die Ablage war so, wie es die meisten Menschen machen. Die letzte Korrespondenz obenauf, und das war einer
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