Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
einem immer noch nicht definierten Spiel Interesse haben konnten, trotz Dezimierung immer mehr wurden.
Es gab zwei Könige, die sich bekämpften.
Wer war »Weiß«, wer »Schwarz«? Die Brüder Este oder Dr. Simonte mit seiner Comtessa? Dass die Este jetzt ein Gesicht hatten, war eine Personifizierung der Prophezeiung des Professors. Aber keine Lösung. Wer hatte den nächsten Zug, und werwendete welche Taktik an?
Der gut inszenierte Bauernkampf war es, der mich abgelenkt hatte. Trotzdem blieb mir nichts anderes übrig, als meine Vorhaben in der Hoffnung weiter zu verfolgen, dass sie mir Aufschlüsse über den voraussichtlichen Spielverlauf brachten.
Das Vorhängeschloss der Hütte war ordnungsgemäß verriegelt, der Boden sprang ohne Widerstand auf.
Dafür war die Kassette nicht verschlossen und leer, was mich noch nicht einmal überraschte. Gerster musste in der Nacht noch einmal mit jemandem hier gewesen sein, der dann über Handy Hilfe gerufen hatte.
Der Unbekannte hatte sich mit den Unterlagen davongemacht, denn im Fahrzeug waren sie nicht gefunden worden, wie ich durch einen Anruf bei Frau Gerster erfuhr.
Die Unfallstelle lag an einem geraden, bergabwärts führenden Wegstück und war deutlich an der beschädigten Rinde des Aufprallbaumes zu erkennen, um den sich Glassplitter gesammelt hatten. Selbst bei einem Promille Alkohol im Blut verlangte die Strecke an dieser Stelle keine besonderen Fahrkünste. Erst gar nicht von jemandem wie Gerster, der sich morgens schon die Zähne damit putzte.
Ich ärgerte mich, die Unterlagen nicht gleich mitgenommen zu haben. Gerster hatte es noch angeboten und mehrfach betont, dass er sie loswerden wollte.
»Deine Reaktionen lassen nach. Die Angelegenheit wächst dir über den Kopf«, schimpfte ich mit mir.
Wenn ich ehrlich war, so stimmte das auch. Kaum glaubte ich, einen Schritt vorwärtsgekommen zu sein, musste ich feststellen, dass andere zwei Schritte gemacht hatten. Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass der oder die mich als eine ihrer Figuren benutzten. Dazu bedienten sie sich meiner berufsbedingten Neugier, die man je nach Bedarf ködern oder eindämmen konnte.
Wie einen agent provocateur.
Sie ließen mich nach etwas suchen, von dem sie genau wussten, dass es existieren musste, aber nicht wo und bei wem.
In der Klinik traf ich auf Frau Gerster. Sie strahlte über das ganze Gesicht. »Ist das nicht herrlich? Mein Mann muss noch mindestens zwei Wochen bleiben. Das bringt Geld von seiner Verdienstausfallversicherung, er wird entgiftet, und sein Blutzucker wird neu eingestellt. Sie vermuten, dass er einen Blackout durch Unterzuckerung gehabt hat. Und stellen Sie sich vor, dieser Otto liegt auch hier.«
Trällernd, als sei das Krankenhaus der Garten Eden, schwebte sie zum Ausgang.
Ihr sonniges Gemüt war für mich in dieser Umgebung nicht nachvollziehbar, und ich war froh, dass mir ein bekanntes Gesicht in Form des jungen Sanitäters über den Weg lief.
»Zu Herrn Este können Sie momentan nicht. Er liegt auf Intensivstation und wird künstlich beatmet. Die Ärzte wissen nicht, wie lange seine Pumpe noch mitmacht. Rufen Sie morgen die Station an, dann weiß man mehr. Oder geben Sie mir Ihre Nummer, dann melde ich mich.«
20
Pünktlich zur vereinbarten Zeit erreichte ich die Anschrift, die mir Frau Hofmann gegeben hatte.
Es war eine alte Villa, die ihr Baudatum von 1888 stolz in einem Abschlussstein über den leicht geschwungenen Fenstern trug, die zur Straße zeigten. Ein brusthoher Zaun aus Schmiedeeisen friedete einen Vorgarten ein, der mit Rhododendren und Magnolien bepflanzt war. Eine Trauerweide bildete eine Art Pergola über dem Weg zur Treppe.
Die moderne Wechselsprechanlage an der Haustür wirkte etwas deplatziert auf dem weiß verfugten Bruchstein.
Es dauerte nicht lange, bis eine alte Dame mit weißem Haar öffnete.
»Kommen Sie«, forderte sie mich mit einer Handbewegung auf einzutreten. »Sie werden schon erwartet. Darf ich vorgehen?«
Sie führte mich in ein Wohnzimmer, das einer Kleinfamilie als Wohnung gereicht hätte. Eine geschmackvoll aus alten und modernen Möbeln kombinierte Sitzgruppe scharte sich um einen deckenhohen offenen Kamin. Der Boden war abwechselnd mit antiken Seiden-und modernen einfarbigen Wollteppichen bedeckt. Wo Bücherregale, die sich selbst über die Türen hinzogen, die Wand freigaben, kündeten Fotos und Mitbringsel von Reisen, von der Geschichte der Familie.
Der Raum wirkte gemütlich, aber
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