Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
nicht altmodisch, anheimelnd, aber nicht überladen. Einzelnen antiken Möbelstücken war genügend Raum gelassen worden, um für sich zu wirken.
»Ich bin die Mutter«, beantwortete die Dame meine Vorstellung. »Suchen Sie sich doch einen Platz. Margot wird gleich kommen. Ich weiß nicht, wo meine Tochter den Kaffee einnehmen will. Wir sehen uns sicher später noch.« Leise schloss sie die Tür, durch die wir gekommen waren, hinter sich.
Frau Hofmann riss mich aus den Betrachtungen der Bücherwand.
»Entschuldigen Sie. Ich hatte noch in der Küche zu kämpfen. Manchmal geht auch einem Profi was schief.«
Diese mehr oder weniger unnahbare Frau verstand es zu überraschen.
Anstatt eines gedeckten Kostüms trug sie über den Knien ausgerissene Jeans, ein unter der Brust geknotetes Karo-Hemd, und die Haare wurden mit einem bunten Kopftuch gebändigt.
»Ich weiß, ich sehe wie meine eigene Putzfrau aus«, lachte sie über meinen erstaunten Blick. »Aber Sie kennen unseren Keller noch nicht. Dem muss man sich anpassen. Ich habe für Sie noch einen Arbeitsmantel von meinem Vater gefunden. Der dürfte passen. Er war auch so ein Bär wie Sie. Aber zuerst trinken wir Kaffee. Kommen Sie in die Küche.«
Sie hakte sich bei mir unter, als seien wir uralte Freunde, und wir durchquerten eine Art Esszimmer, das sich an den Salon anschloss, und betraten eine uralte Küche, in der es herrlich nach Gewürzen roch.
»Machen Sie sich nichts aus diesem Trödel. Mutter will diese modernen Küchen nicht haben. Es muss alles an seinem Platz bleiben, wie sie es seit sechzig Jahren gewöhnt ist. Und mich stört es nicht mehr. Was soll man mit einer teuren Küche, wenn man nicht kochen kann.«
Sie warf einen Blick in den Backofen und nickte zufrieden.
»Das gibt es als Vorspeise. Wildpastete im Brotteig. Und danach«, sie hob den Deckel von einem Topf, der nicht viel jünger als die Küche sein konnte, »eine echte Bouillabaisse. Nicht das Zeug, das man als Tourist vorgesetzt kriegt.«
Sie goss zwei Schnapsgläser mit Mirabellenschnaps ein und zündete sie an. Zwei Stücke Würfelzucker tauchten in unserem Mokka unter, dem sie die blau brennende Flüssigkeit folgen ließ.
»Auf ein lustiges Gespensterjagen«, prostete sie mir zu. »Was ist denn passiert, dass es plötzlich so schnell gehen muss?«
Ich hatte mich auf ihre entwaffnende Direktheit vorbereitet und mir auf alle nur denkbaren Fragen eine passende oder zumindest ausweichende Erklärung zurechtgelegt.
»Mein Chefredakteur will den Artikel vorziehen.«
»Und, hast du, oh entschuldige,haben Sie schon eine ›Headline‹?«
»›Das Mysterium vom Münsterplatz‹.«
»Wow, das ist ein starker Titel«, nickte sie anerkennend. »So könnte ich auch meine neue Pralinen-Kollektion nennen. An wen muss ich da Lizenz zahlen?«
»An mich.«
»Dann fange ich gleich damit an, die abzubezahlen. Kommen Sie, wir gehen in den Keller. Ich sage nur kurz Mutter Bescheid, dass sie auf das Essen aufpasst.«
Sie verschwand für eine Minute und kam mit einer Taschenlampe wieder.
Das gemauerte Kellergewölbe wurde durch zwei verstaubte Glühbirnen schwach erleuchtet. Es war eine Fundgrube für jeden Antiquar. Hier hatte sich seit mehr als einem Jahrhundert alles gestapelt, war umgestürzt und hatte sich ineinander verkeilt, was die Generationen glaubten nicht mehr gebrauchen zu können, es aber nicht übers Herz gebracht hatten, endgültig zu vernichten.
Frau Hofmann leuchtete mit der Stablampe auf einen Schrank.
»Da könnte es sein. Aber wie gesagt ... keine Garantie.«
Ich schob Spinnweben beiseite, stieg über Möbelstücke und versuchte im Schein der Lampe nicht über weitere Hindernisse zu stolpern.
»Halt!«, tönte es von der Tür. »Was sucht ihr hier?«
Ich lenkte den Lichtkegel auf den Eingang und erfasste die alte Dame.
»Wenn das stimmt, was ich glaube, was ihr beiden sucht, dann werdet ihr es nicht finden.«
Ihr Ton war scharf und bestimmend.
»Los, kommt rauf. Das Essen braucht Aufsicht«, befahl sie und verschwand aus dem Lichtschein.
»Ich habe ihr doch nur gesagt, dass wir was im Keller suchen.« Margot machte das erste Mal einen unsicheren Eindruck, löschte das Licht und verschloss die eichene Kellertür wieder. »Entschuldige, ich weiß auch nicht, was mit Mutter los ist. Die hat sich noch nie für den Keller interessiert.«
Plötzlich wirkte die Herrin des Cafés wie eine Tochter, die beim verbotenen Naschen erwischt worden war.
Kinder bleiben eben
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