Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
ein alter Bekannter und ihr spezieller Freund. Der Messner, dieser Wolter ...«
Das war das Letzte, was ich hörte.
Als ich wieder zu mir kam, war mein erster Gedanke, dass es doch ein Leben nach dem Tod gibt. Ich glaubte Margots Gesicht gesehen zu haben und schloss die Augen wieder. Meine Glieder waren schwer wie Blei.
»Er wird wach ...«
Das war doch Margots Stimme, und ich versuchte es nochmal. Sie war es, und ich lag in einem Bett. Über mir hing eine Infusion, deren Schlauch irgendwo unter der Bettdecke verschwand.
»Mein Gott, du lebst«, schluchzte Margot.
Am Fußende erschien Pater Lutz mit einem Mann in weißem Kittel.
»Wir können dem Herrgott und dem Doktor danken, dass Sie noch leben«, brummte er mit besorgtem Gesicht.
»Was ... was ist mit mir ...?«
»Darüber sprechen wir, wenn Sie wieder auf den Beinen sind. Sie und Frau Hofmann sind so lange meine Gäste.«
30
Es dauerte zwei Tage, bis ich mit Hilfe von Margot das Bett verlassen konnte. Der Pater hatte immer mal wieder kurz hereingeschaut, war aber nicht sehr gesprächig gewesen.
Wir waren in einem schlossähnlichen Gebäude untergebracht, umgeben von einem riesigen, gepflegten Garten. Bei meinem ersten Spaziergang in dem gepflegten Garten schaffte ich es freilich gerade noch bis zur nächsten Bank. Margot, die mich begleitet hatte, setzte sich neben mich und berichtete mir, dass sie von einem Ungeheuer mit Kapuze geradezu entführt worden und hier von Pater Lutz kurz über meinen Zustand informiert worden war. Mehr hatte er ihr nicht gesagt.
»Was ist mit mir passiert?« griff ich meinen letzten Satz wieder auf, an den ich mich noch erinnern konnte.
»Der Doktor hat gesagt, du hast eine Salmonellenvergiftung.«
Ich zählte eins und eins zusammen. Das Omelett surprise. Die manipulierte Kühlanlage. Wolter. Jetzt hätte mich dieser Kerl fast auch noch auf dem Gewissen gehabt! Ich fragte mich, wie es wohl dem Erzbischof erging.
Ich konnte immer noch nicht klar denken. Ob der Küster auch am Tod des Professors beteiligt gewesen war? Denn wenn ich über zwei hinaus zählte, konnte da nur Simonte hinter stecken. Und der machte sich nicht selber die Finger schmutzig.
»An was erinnern Sie sich noch?«, fragte Lutz nach dem Abendessen, bei dem es für ihn und Margot Eisbein
mit Sauerkraut und für mich nur eine Hühnerbrühe gegeben hatte.
»Verfolgungsjagd. Eibel jagt mich, Eibel wird von Wolter verfolgt und der wieder von Ihnen.«
»Sehr gut«, lächelte Lutz. »Gut, dass ihr Norddeutschen so viel Schnaps trinkt. Macht anscheinend immun gegen Bakterien. Also weiter im Text.«
Er führte uns in einen im Louis-seize-Stil eingerichteten Salon mit hohen Fenstern, die einen schönen Blick in den Park erlaubten.
»Fühlen Sie sich so weit fit, dass Sie endlich den Artikel schreiben können? Die Zeit drängt. Ich habe mir erlaubt, Ihre Redaktion zu informieren, dass der Bericht übermorgen vorliegt, und habe auch mit der lokalen Redaktion in der Stadt ein Abkommen getroffen, dass dieser Artikel ungekürzt, aber ohne Nennung des Verfassers übernommen wird. Anders bekomme ich diesen Hintermann nicht aufgescheucht.«
»Was ist denn so verdammt wichtig an diesem Testament?«, versuchte ich für mich langsam wieder eine Linie zu finden. »Ich dachte bisher, dass Enrico es hat und er Lisa als Pfand für die Unterlagen entführt hatte.«
Lutz zwirbelte in seinem Bart und schaute durch mich hindurch.
»Wichtig an diesem Testament ist, dass es überhaupt existiert. Enrico hat es nicht. Sonst wäre er nicht meinem Rat gefolgt, sich freiwillig der Polizei zu stellen.«
Der Pater sah mir meine nächste Frage an. »Na, so alles haben Sie wohl doch nicht behalten. Eibel hatte mal wieder nichts Besseres zu tun, als den Haftbefehl in alle Winde zu posaunen. Das ruft die Denunzianten auf den Plan und spart ihm Arbeit. Bloß nicht so viel Bewegung, das war schon immer seine Devise.«
Margot hatte die ganze Zeit ruhig zugehört und auch während des Abendessens nichts gesprochen. In der linken Hand rollte sie ein Zigarillo, die rechte wanderte auf meinen Schenkel und kniff mich sanft.
»Ich würde den Artikel an deiner Stelle nicht schreiben.«
Sie verstärkte den Druck von Daumen und Zeigefinger. Ich verstand und schwieg.
Lutz nahm den Federkiel aus einem handbemalten Tintenfass, das als antike Dekoration auf dem fast zu zierlich für den Raum wirkenden Schreibtisch stand.
»So? Und warum nicht?« Er fuhr mit der Feder über den
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